Anfang der Achtziger war ich, in der ersten Runde, nicht mehr ganz so frisch geschieden, dafür aber glückliche Bewohnerin einer Neubauwohnung, deren einziger Nachteil, man ahnt es, der war, dass sie vor den Toren der Stadt lag.

Mit Straßenbahnfahren ging ein hübsches Stück meiner und meiner kleinen Tochter Lebenszeit drauf. Und so mag das Lächeln, das ich den geheimnisvollen dunklen Männern, deren Wohnheim auf dem letzten Stück des Weges lag, gelegentlich schenkte, eher müde als irgendwas sonst gewesen sein. Dennoch erreichte es Manou, der sehr bald auf mich zu warten schien, mir hinterher lief, vor dem Fenster meiner Parterrewohnung nach mir rief. Obwohl ich ihm gesagt hatte, ich sei verheiratet. Manou erwiderte, er sähe keinen Ring an meinem Finger.

Ich weiss nicht, was sie den Männern, die von so weit her kamen, über uns erzählt hatten. Aber ich weiß, dass Manou irgendwann, als er mich frühmorgens mit einem anderen in die Straßenbahn steigen sah, furchtbar wütend wurde. Seine Freunde mussten ihn zurück halten. Dabei hatten er und ich kaum zehn Sätze miteinander gesprochen. Dass er mich für eine "schlechte Frau" hielt, war mir egal, auch dass ich fürderhin von ihm tapfer ignoriert wurde. Es war mir eher recht.

Manou kam aus Mosambik. Über das ich nicht mehr wusste, als dass es ein "Bruderland" war. Befreites Afrika, das zu unterstützen sei. Damit "die Bewegung" wachsen kann.

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Oft braucht es lange, sehr lange, ehe man zu begreifen beginnt.

Dieser Tage hörte ich, wenn auch nicht zum ersten Mal, "Eine Geschichte der Welt in hundert Objekten". Ich hatte es schon einige Male gehört, aber verstanden erst eben bei diesem Mal. Da war von Mosambik die Rede. Das sich Mitte der Siebziger von seiner Kolonialmacht Portugal befreit hatte.

(Ich sah sie vor mir, die jungen Portugiesen, die einvernehmlich klagten, dass die Mosambikaner nichts zuwege brachten, seit sie die Portugiesen davon gejagt hatten. Eine von ihnen war sogar noch in Mosambik geboren worden. Wir hatten sie auf dem Campingplatz kennen gelernt. Und begriffen nicht, wie man einer überkommenen Sache wie dem Kolonialismus hinterher trauern konnte. Aber wir dachten: Ganz schön arme Würstchen sind das, wenn sie ohne ihre Kolonien selbst nichts auf die Beine bringen. Das war Anfang der Neunziger und irgendwie war keiner von uns allen, die wir da saßen, Whisky tranken und nach Mitternacht tanzen gingen, sich darüber im Klaren, dass in Mosambik immernoch gekämpft wurde. Nach dem Freiheits- der Bürgerkrieg.)

Und ich hörte, dass die Kämpfer um Freiheit, denen man solches so selbstverständlich zutraute, nicht zwangsläufig die sein mussten, die auch in der Lage wären,das Neue aufzubauen. Ich hörte auch, dass der Krieg in Mosambik der Blutigste von allen in Afrika war. 300.000 Kriegswaise hat er zurück gelassen, die ihrerseits nichts anderes kannten als kämpfen, auch wenn die Waffen manchmal größer waren als sie selbst.

Erst nach dem Krieg, in den Neunzígern, als noch immer jede Menge Waffen kursierten und doch endlich ein mal Ruhe und Friede herrschen sollte, kam einer auf die Idee, die Waffen einzusammeln (ich glaube, gegen Belohnung) und daraus Kunst zu machen. Und ein mosambikanischer Künstler, der sich Kester nannte, schuf unter anderem dies:

(Thron of Weapons - British Museum)

Den Waffenthron. Keinen Stuhl, wie es ihn hierzulande in jeder Küche gibt. Denn in Afrika sitzt man auf dem Boden. Ein Stuhl ist den Herrschern vorbehalten. Deswegen Thron. Neil McGregor, der all das berichtet, weiß auch von der Zusammensetzung des Stuhles zu erzählen, der Zeugnis über die Geschichte des Krieges ablegt. Waffen aus aller Herren Länder, die das eine oder andere Interesse daran hatten, dass Mosambik k/ein freies Land sein soll.

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Und ich frage mich, was aus Manou geworden ist, den sie - wie alle anderen aus den "Bruderländern" - nach drei Jahren mit einer Berufsausbildung nach Hause geschickt haben. Er kam in ein Land, in dem noch immer Krieg war. Und hatte gute Gründe, sich ein Hierbleiben zu wünschen.

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Silvia Jelincic

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