Es ist gut, dass das alles so wild ist

Als meine Tochter noch klein war und wir noch keinen Fernseher hatten (Das ist mal ein guter Märchenanfang, gell?), beschloss ich, neben dem allfälligen Radio (Marke: Tragmichdurchdiegegend) einen Schallplattenspieler zu erwerben. Denn in dem Tragmich... kam oft kein Wunschprogramm. Und damit auch Tochterkind sich an dem Neuerwerb freuen konnte, erwarb ich neben allerhand klassischen auch ein paar Kinderschallplatten. Unter anderem die mit der Katze. Einer höchst eigensinnigen. (So sind sie halt.) Nebenbei, so der Plan, sollten die Kinder etwas über die Menschwerdung erfahren.

Denn: Es ging um die erste Frau und den ersten Mann in der Wildnis.

Sehr anschaulich festgehalten in dem prägnanten Dialog:

Sie: "Ich bin eine Frau und du bist ein Mann. Und was kommt dann?"

Er (wie aus der Pistole geschossen): "Kinder!"

Natürlich erklärt sie ihm dann, dass es so schnell nun auch wieder nicht geht. Man braucht erst die Liebe und eine Wohnung (Höhle).

Rein rhetorisch fragt sie ihn dann nochmal mit der bekannten Antwort, um ihm (clevere Frau) zu bestätigen:

"Du hast es verstanden."

Eigentlich, wir ahnen es, hat er gar nichts verstanden, will sichs aber mit ihr nicht verderben und tut deswegen so, als ob ...

Während er also staunend ihr Tun beobachtet, lehrt sie ihn, die dreckigen Füße vor der Höhle abzustreifen und kultiviert zu essen.

("Wir lächeln uns an. Das macht Appetit." )

Nebenher zähmt sie die Kuh und den Hund.

Und als er so am Tisch sitzt und von ihr erzählt bekommt, was alles er denn da isst (Fleisch vom wilden Schwein, Honig von der wilden Biene ...), schlingt er die Dinge in sich hinein und bringt nur zwischen zwei Bissen hervor:

"Es ist gut, dass das alles so wild ist."

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Wir haben die Platte so oft gehört, dass ausgewählte Sätze Eingang in unsere Familiengeschichte fanden.

Unter anderem der gleich oben drüber.

Und immer, wenn uns etwas echt oder unecht Wildes begegnete, fand er Anwendung.

So auch neulich in meinem Kopf.

Da ging ich, dem Diktat des Schrittzählers folgend, vor die Tore der Stadt zum großen Einkaufsmarkt.

Am Flüsschen entlang.

Und stellte mit Staunen fest, wie viele Brombeerbüsche dort stehen.

Und, noch unbeschwert von jeglichem Einkauf, stellte mich hin und pflückte.

Passanten kamen vorbei und sahen mir staunend zu, wie ein Leckerbissen nach dem anderen rottropfend in meinem Mund verschwand.

Natürlich waren die Beeren nicht so groß und kultiviert wie die im Markt.

Aber sie schmeckten so viel besser.

Und waren ganz umsonst.

Einst, erinnerte ich mich, zogen wir hinaus in die Natur und ernteten, was diese jeweils für uns bereit hielt.

Einst war es üblich, Bäume und Gesträuch mit Essbarem einfach so in Wald und Feld wachsen zu lassen.

Abnehmer fanden sich immer.

Das war damals, als wir nicht mantra-gleich von Natur und Natürlichem redeten, als wärs was Heiliges, aber dafür sehr viel näher dran an der Natur lebten.

Sogar wir Städter.

eigenes bild

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thurnhoferCC

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