Eine nicht ganz so neue, dafür aber aktuell sehr kontrovers geführte Diskussion erweckt den Anschein, als sei es um unsere Freiheit schlecht bestellt.

Insbesondere die Meinungsfreiheit wird im höchsten Maße angezweifelt, wobei der Eindruck geweckt wird, als hätten wir sie schon jemals gehabt.

Dass Dinge einem Wandel unterliegen, sich damit insbesondere für ältere Mitmenschen merkwürdig anfühlen, kann wohl als unbestritten vorausgesetzt werden. Nicht jedoch, dass es jemals irgendeine Art von Freiheit gegeben hat, die der heutigen in der westlichen Welt vergleichbar wäre.

Es ist nur schlichtweg so, dass neuerdings jeder für sich den Anspruch erhebt, Recht haben zu wollen. Was ja doch ein ganz erheblicher Unterschied dazu ist, seine Meinung, egal ob im Sinne von (vermeintlichen) Fakten oder aber Auffassungen sagen zu dürfen. Dürfen darf man schon, aber man darf nicht auf unbegrenzte Zustimmung hoffen.

Nicht nur, weil der Diskurs den Kern der Demokratie ausmacht, sondern auch, weil Entwicklung, auch wenn mancher sie nicht begreifen kann oder will, nur so funktioniert. Wären wir alle einer Meinung, wäre alles nurmehr Stagnation und wir säßen heute noch auf den Bäumen.

Ein kleiner Rückblick zeigt, dass insbesondere im Bereich der Meinungen schon immer ganz erhebliche Grenzen gesetzt waren:

Man durfte Herrscher nicht ungestraft kritisieren.

Man musste die (Handlungs- und Sprach-)Gebote der Kirche achten.

Man tat, als es noch politische "Blöcke" gab, gut daran, seinen eigenen für besser zu befinden (Andernfalls konnte es sein, dass man - hier wie dort - keinen Zugang zu bestimmten Ausbildungen oder Arbeitsplätzen bekam.)

Man hatte sich an bestimmte Kleidervorschriften zu halten.

Man hatte Anstandsregeln zu befolgen.

All das, was viele von uns noch erlebt haben, waren sehr viel erheblichere Einschränkungen der Freiheit als wir sie heute erleben. Und dennoch wird der Verlust der Freiheit heute mehr denn je beklagt.

Ich aber frage mich, ob nicht vieles, was wir in früherer Sozialisation praktisch mit der Muttermilch aufgesogen haben, nicht immer noch in unseren Köpfen steckt und als sehr viel normaler empfunden wird, als eben die neuen, anderen Freiheiten. In denen man sehr viel mehr sagen kann als früher (und eben keiner mehr wirklich Recht hat, weil die Diskussionen offen geführt werden könnten, wenn man das denn nur wollte), viel mehr tun kann (wenn es zu einem passt) und viel mehr auf Randgruppen achtgegeben wird, die früher ganz selbstverständlich verpönt und aus der Gesellschaft gedrängt wurden.

Beruhte nicht ein ganz erheblicher Teil des gesellschaftlichen Konsens auf diesem einen Satz: "DAS tut man nicht!"?

Heute, wo dieses "Das tut man nicht." zwar noch in unseren Köpfen schlummert, gleichzeitig aber so viel getan wird, was vor wenigen Jahrzehnten noch nicht gegangen wäre, herrscht neben der großen Verunsicherung (Gilt denn nichts von den früheren Werten mehr?) auch eine extreme Gekränktheit bis Wut. (Warum, verflixt!, sind die Anderen nur so anders und verstehen nicht mehr?)

Statt zu begreifen, dass der Fortschritt nur aus der Veränderung kommt, wehren wir uns mit Zähnen und Krallen gegen alles, was anders ist, obschon wir von den geänderten Bedingungen gern auch profitieren wollen.

Denn wann schon wäre es möglich gewesen, einen Landesherrn (dass es jetzt eine Frau ist, macht die Sache auch nicht besser) wild zu beschimpfen, die gesellschaftlichen Verhältnisse in Frage zu stellen und dabei auf jeglichen Anstand in der Wortwahl zu verzichten?

Wohin, frage ich mich, soll die Freiheit derer, die deren Verlust so eifrig beklagen, denn noch gehen?

Und: Ist der Wunsch nach Demokratie wirklich so groß, solange man die andere Hälfte der Bevölkerung nicht hören will?

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