„Fliege, Fliege, wenn ich dich kriege …“, summt es in meinem Kopf, „rupf ich dir ein Beinchen aus.“

In Wahrheit ist es selbst den Fliegen zu kalt. Und dieses Summen in meinem Kopf gilt dem schwarzen Faden auf schwarzem Stoff, den ich kaum erkennen kann. Schwer, da eine vernünftige Naht zu machen. Es fühlt sich ein bisschen wie Fliegengekribbel an (und wird hoffentlich hernach nicht so aussehen!). Und es macht mich kribbelig. Aber ich bin noch nicht so weit, dass ich aufgeben und das Zeug in eine Näherei bringen würde. Noch nicht. (Dermaleinst hatte ich eine eigene Kollektion im Schrank. Bis hin zum Abendkleid alles selbst entworfen und genäht. Es hätte vielleicht nicht den kritischen Augen eines gelernten Schneiders stand gehalten, aber es war einzigartig. Und immerhin so viel ordentlicher als dieses Zeugs aus sonstwo, das man heute in Läden für nicht wenig Geld kaufen kann. Nie werde ich mich mit aussen liegenden aufgeribbelten Nähten abfinden!) Die Hose also, kürzer machen. Nebenher läuft schöngeistiges Fernsehen. Zur Beruhigung.

Ich höre von der Tänzerin aus Soveto, die Tschaikowsky so ganz anders tanzt, werfe gelegentlich einen Blick hin. Und ich sehe mich selbst, im Alter von fünf Jahren, wie ich am Wohnzimmerbüffet stehe, dessen Unterteil so etwas nach vorn gezogen war und die richtige Höhe für einen Ballettstangenersatz hatte. Während Mutter die Wohnung putzte oder kochte, stand ich da, schwang die Beine, beugte den Arm, der nicht an der Stange war, im Halbkreis über den Kopf und wünschte mir sehnlichst ein Tutu. Rosa natürlich und ganz steif abstehend. Aber ich hatte so viele Ideen im Laufe der Jahre und da war nicht sonderlich viel Geld und mütterlicherseits wenig Talent zum Selbernähen. Die Nähmaschine nutzte der Vater, wenn offene Nähte wieder zu schließen waren. (In Wahrheit hatte er sie nur erworben, weil sie billig war und ihn als Werkzeugmacher das „Projekt Nähmaschine“ interessierte. Da man sie nun einmal hatte und sie jetzt auch funktionierte, musste sie genutzt werden. Später versuchte er sich an einem Rock für die Mutter, der ganz nett aussah und tatsächlich getragen wurde.)

Und während ich so sinniere und den unsichtbaren Faden durch den Stoff ziehe, hat das Programm im Fernsehen gewechselt. Kinder fragen eine Polarfotografin: „Werden die Tiere dort überleben, wenn kein Eis mehr da ist?“. Keiner weiss die Antwort. An Bord sitzt der Maler und malt seine weiss-blauen Aquarelle, die Gischttropfen abkriegen sollen. Das gehört zum Konzept. Oft frieren die Bilder auch ein. Ob sie gelungen sind, sieht man nach dem Auftauen.

„Ich möchte gerne denken, dass es hier in zwanzig Jahren noch Eis gibt.“, sagt die Fotografin am Ende des Berichts.

Der letzte Faden ist vernäht. Und ich erinnere mich, warum ich einst Handarbeiten so gerne machte: Man sieht ein Ergebnis. Und nebenher sind die Gedanken spazieren gegangen in allerlei Richtungen. Zum Südpol und in die Kinderstube.

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pirandello

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Silvia Jelincic

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