Der R. ist auf einem Klassentreffen gewesen. Wahrscheinlich das letzte Mal, sagt er. Weil ... er guckt sich dieses Elend nicht mehr weiter an. Langsam wird die Luft dünn. Wo sie früher noch ein ganzes Hinterzimmer im Gasthof brauchten, reichen jetzt zwei zusammen geschobene Tische.
"Nicht, dass die alle tot wären.", sagt er. Drei leben im Ausland. Da kann man sich einbilden, es ginge ihnen gut, auch wenn man schon seit Jahren nichts mehr von ihnen hörte. Und zwei sind schon seit Jahrzehnten nicht mehr gekommen. Wer weiß, wo die sind.
Alle anderen sind hier auf dem Land so nahe beieinander, dass sie wirklich zu jeder Trauerfeier gehen. Im Krankenhaus oder im Pflegeheim besuche mach sich eher nicht. Wer will das Elend, das einem selbst bevorsteht, schon aus allzu großer Nähe sehen?
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Überhaupt, sagt der R., wisse er nicht, was dieses große Geschrei um die gestiegene Lebenserwartung nur soll. Weil ja doch die wenigsten wirklich gesund sind und sich gut fühlen. "Was soll das?", fragt er. "So stellt sich das doch keiner vor."

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Während wir, auf dem Balkon sitzend, dem Treiben der dunklen Wolken mit goldenen Rändern zusehen und der R. genüßlich an seinem Joint zieht, erklärt er mir, dass ihm am Liebsten wäre, es würde so wie damals bei dem Kumpel. Den hatten sie im Krankenhaus besucht, die ganze Truppe. Der sei nur noch Gemüse gewesen. Starrte irgendwie in die Luft und reagierte auf gar nichts. Dabei sei gerade der immer so lustig gewesen. Aber als sie ihn nach dem Motorradunfall zusammen geflickt hatten, war nurmehr das da übrig geblieben: ein sabbernder Brokkoli.
Genau drei Mal waren sie dort gewesen. Und dann hatte einer wie im Gedanken eines der vielen Kissen genommen. Es sich auf die Beine gelegt, ein paar Mal kräftig drauf geklopft. "Gute Qualität!", hatte der gesagt. Und dann waren sie sich alle einig und der Rest ging ganz schnell.

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Manchmal weiß ich nicht, ob diese Geschichten, die R. so erzählt, wirklich wahr sind. Vielleicht hat er schon ein paar von diesen Zigaretten zu viel geraucht. Vielleicht hat er einfach nur viel Phantasie.
Aber jedenfalls, sagt er weiter, wäre so etwas für ihn ein Liebes-, mindestens aber Freundschaftsbeweis. Und er wäre froh, wenn irgendwann, sollte es bei ihm so weit kommen, jemand ihm diesen Dienst erweisen könnte.
"Ist das zu viel verlangt?", fragt er.
Natürlich, denke ich, verlangen kann man so etwas nicht.