Nun also auch Mecklenburg-Vorpommern. Damit ist die AfD in allen ostdeutschen Flächenländern in den Landesparlamenten vertreten. Und sie zeigt, Sachsen-Anhalt war noch nicht der Zenit.
Seit 2013 geht es bei Wahlen für die AfD bergauf. Die internen Streitereien, die Radikalisierung zu einer protofaschistischen Partei sorgt nicht für ein Schmuddelkindimage wie bei extrem rechten Parteien, sondern bringt immer mehr Menschen für sie an die Urne. Dabei ist die Steigung interessant. 2013, scheiterte man noch an der Bundestagswahl, in Hessen blieb man unter der 5 % Hürden, in Bayern und Niedersachsen trat man lieber erst gar nicht an. Zu diesem Zeitpunkt war man nur einfach eine Anti-EU-Partei. Es folgten die Wahlen im Osten. Während man in Sachsen noch einstellig blieb (9,7 %) konnte man in Thüringen (10,6 %) und Brandenburg (12,2) das erste Mal zweistellige Ergebnisse feiern. Diese Ergebnisse fuhren der Altrassist Alexander Gauland und der neurechte Demagoge Björn Höcke ein. Ausgerechnet der Westler Alexander Gauland appellierte mit DDR-Kuschelei erfolgreich beim brandenburgischen Volk. Der ehemalige Schullehrer Höcke konnte mit Rhetorik und Redekunst überzeugen.
Damit war auch klar, dass der "gemäßigte Weg" eines Bernd Lucke gescheitert ist. Immer mehr setzten sich Neurechte in der Partei durch, das Kernthema Anti-EU verblasste. Kernthemen wurden nun antimuslimischer Rassismus, Chauvinismus, teils völkischer Nationalismus und der Kampf gegen die liberale Gesellschaft. Konservatismus gepaart mit Nationalismus kommt besonders bei denjenigen an, die sich niemals an das westliche System anpassen konnten – die Wendeverlierer und ihre perspektivlosen Nachkommen.
Das deutliche Hoch im Osten sorgte auch für ein Aufhorchen in der Westrepublik. Bei den Wahlen in Bremen und Hamburg 2015 schaffte die AfD knapp mit 5,5 % bzw. 6,1 % erstmals den Einzug in westdeutsche Parlamente. Das Signal: Wir sind nicht nur für die Ossis wählbar. Der Rassismus, der von Pegida ausging und in die gesamte Republik ausstrahlte, konnte eher die AfD nutzen, als die bisherigen Nutznießer von NPD oder Republikaner. Bei jedem Wahlerfolg der AfD konnte gleichzeitig beobachtet werden, wie die traditionellen rechtsaußen Parteien an Wählergunst verloren. Sie haben ausgedient. Die AfD ähnelte immer mehr Parteien wie der NPD, die öffentlichen Reden, bei denen zum Beispiel der Thüringer Björn Höcke im riefenstahlschen Stile inszeniert wurde, viel die Maskerade. Alte Neonazis wie Thomas Wulff und zuletzt der NPD-Spitzenkader Udo Pastörs bemerkten, wie die AfD dieselben Positionen wie die NPD fast härter herausposaunen – dabei aber erfolgreicher sind und der Staat nicht reagiert. Sowohl in den Medien wie in den Sicherheitsbehörden gilt die AfD immer noch als demokratische Partei oder maximal als "Rechtspopulisten". Dabei ist sie der parlamentarische Arm einer rechten völkischen Bewegung, die breiter aufgestellt ist, als es die NPD in ihrer gesamten Geschichte war. Gleichzeitig hat sie nicht das Laster in Bezug mit Nationalsozialisten zu stehen.
Dieses Modell, Anti-Nazi und gleichzeitig protofaschistisch zu sein, sorgte für die Wahlerfolge in 2016. Zum ersten Mal konnte man auch in Flächenländer in Westdeutschland in den Parlamenten einziehen. Und das nicht etwa mit kümmerlichen fünf bis sechs Prozent, sondern direkt mal mit 12,6 % (Rheinland-Pfalz) bzw. 15,1 % (Baden-Württemberg). Zahlen, die man sonst nur in Ostdeutschland erhielt, doch mit der Steigerung um bis zu 10 % im Westen konnte man auch im Osten diese Steigerung halten. Fast 25 % der Wähler in Sachsen-Anhalt verhalfen der AfD zu einem Erdrutschsieg. Die magischen 10 % zeigen sich auch im Bundesschnitt. Bei der Bundestagswahl 2013 scheiterte man 4,7 % - inzwischen sehen Umfrageinstitute die AfD als drittstärkste Kraft bei rund 14 %.
Binnen drei Jahren konnte die Partei 200 % mehr Wähler erreichen. Dieser Erfolg kommt nicht überraschend. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist bekannt, dass Deutschland der Schrecken von Front National, FPÖ, Vlaams Belang oder der Wilders-Partei ersparrt geblieben war, obwohl Studien immer wieder zeigten, dass Potential an antimuslimischen Rassismus und völkischen Nationalismus ist ausreichend vorhanden. Zuletzt zeigte es die "Mitte-Studie", nach der mehr als 20 % der Deutschen ein rassistisches Weltbild inne haben und immerhin 5 % ein geschlossenes extrem rechtes Weltbild vertreten.
Doch statt die gesellschaftlichen Errungenschaften gegen den rechten Rollback zu verteidigen, versuchen sich verschiedene (auch linke) Protagonisten lieber im Kampf gegen fortschrittliche Kräfte oder im peinlichen Nachahmen des neuen aufkommenden Nationalismus. Das Konzept ist zum Scheitern verurteilt. Wenn man kann, nimmt man immer lieber das Original statt einer billigen Kopie.