Mir wurde oft gesagt, ich solle mich in die Lage von arabischen jungen Geflüchteten versetzen und mehr Empathie entwickeln. Als ich einen Artikel der RP-Online las, in dem es um Studentinnen ging, die für ein Projekt mit Flüchtlingen kochen, dachte ich ernsthaft darüber nach, was ich so denken würde, wenn ich ein arabischer junger Mann in Deutschland wäre. Ich habe mir diese Mühe gemacht und so gut es mir möglich ist, versucht, mich in die Gedankenwelt hineinzuversetzen und muss sagen, ich habe Verständnis für diese Menschen. Welche Gedanken macht sich jemand, wenn er Klatschende am Bahnhof sieht oder Flirtkurse bekommt, zu staatlich geförderten Kochprojekten von Studentinnen eingeladen wird, von Politikern als Goldstück, ja, aber auch als Pack (zwar nicht von Politikern) bezeichnet wird. Was würde sich bei mir als Neuankömmling abspielen, wenn ich Tweets von Miene Wazari und Kolumnen von Ferda Ataman lesen würde? Was würde ich über diese Deutschen denken und was würde ich von den Menschen halten, die als Migranten und Migrantenkinder hier seit den Siebzigern leben?
Also wie fühlt sich so ein junger Mann, wenn er zu uns kommt und einer komplett anderen Kultur entsprungen ist? Er hörte in seiner Heimat möglicherweise seinen Imam solche Sachen über Europa sagen: Link. Er weiß aber möglicherweise nicht so genau, ob er das glauben soll. In seinem Dorf werden die Frauen von ihrer Familie verheiratet und wer es sich leisten kann, kann zwei, ja sogar bis zu vier Frauen haben. Er ist sich dessen bewusst, dass ein Anbandeln mit einer ihm nicht versprochenen Frau zu seinem Tod und zum Tod der Frau führen kann. Frauen in seinem Dorf wissen dieses natürlich am allerbesten und meiden jeden Kontakt zu Männern und jedes Verhalten, das auf ein Interesse auf Männer schließen lässt. Sie nehmen am gesellschaftlichen Leben nicht Teil und sind verschleiert. Es ist jetzt nicht so, dass man ständig mit dem Tode bedroht wird, aber die Gewalt ist präsent und macht sich schon bei kleinen Abweichungen bemerkbar. Man denkt also gar nicht daran, sich als Frau irgendwie anders zu verhalten oder es auszutesten, genauso wie bei uns keiner mit sechzehn auf die Idee kommen würde, zum Heiligabend vor Mama, Papa und Oma einen Joint zu drehen.
Der gesellschaftliche Status entscheidet darüber, ob einem eine Frau versprochen wird oder nicht und weil es wenige Perspektiven gibt und einige das Privileg haben mehrere Frauen zu heiraten, haben nicht alle Männer die Möglichkeit auf Partnerschaft. Das in einem gewissen Alter das Verlangen nach Partnerschaft oder einfach nur nach Sex zunimmt, ist wohl nicht ungewöhnlich und auch für Pubertierende weltweit ein normaler Zyklus. Das Ausleben der männlichen Sexualität ist gesellschaftlich nicht so das Problem, doch es scheitert an der Unfreiheit der Frau, die ein Heteromann ja dafür braucht. Eine Frau entscheidet in seiner Gesellschaft nicht über ihre Sexualität und ihre Partnerschaft, sondern ihre Familie. Bei uns im Westen ist es umgekehrt. Das Ausleben der männlichen Sexualität scheitert für viele eher aufgrund der Freiheit der Frau. Es klingt zwar auf den ersten Blick ähnlich, doch ist es für den Umgang miteinander und das gesellschaftliche Konstrukt ein großer Unterschied und eines der Kernprobleme dieser kulturellen Konflikte.
Bei einem Beischlaf mit einer Frau geht es ausschließlich um die Familienehre, also die Ehre der Männer in der Familie, nicht aber um die Frauen.
Jetzt kommt jemand aus dieser Kultur nach Deutschland. Er hat möglicherweise Gerüchte über die westeuropäische Freizügigkeit gehört und ist dieser Lebensart, wenn sie zu seinem Vorteil läuft, nicht abgeneigt. Er sieht am Bahnhof unverschleierte Frauen. Alles ok bis dahin. Dann jubeln ihm diese zu und beklatschen seine Ankunft. Was löst das möglicherweise und berechtigterweise in einem jungen Mann aus einer komplett anderen Kultur aus? Eventuell fühlt er sich willkommen und bewundert dieses ach so tolle Land, oder aber er begehrt diese Frauen und fängt an die Männer zu verachten, die es ihren Schwestern, Töchtern und Müttern erlauben, sich fremden Männern anzubiedern, sie gerade auch noch dazu ermuntern. In seiner Kultur wäre dieses ein absolutes Zeichen von Schwäche und Kapitulation. Wenn sich eine Frau in seiner Kultur nicht so benimmt, wie die Gemeinschaft es vorsieht, fällt dieses auf die Familie zurück und die Männer sind dazu angehalten, ihre Stärke zu demonstrieren und sich ihre Ehre zurückzuholen. Also was fühlt dieser Jenige für die hier lebenden Männer? Respekt oder Verachtung und Überlegenheit. Ich erinnere mich da an eine Passage aus dem Buch von Hamed Abdel-Samad „Mein Abschied vom Himmel“ wo er über einen Diskobesuch schreibt und meint, er habe sich den deutschen, blassen Männern gegenüber überlegen gefühlt. Hierbei soll auch erwähnt sein, dass die sexuelle Begierde für Frauen auch in unserer Kultur nichts mit dem Respekt für die Person zu tun haben muss und zusätzlich sollte man sich fragen, welcher Mann „Isch Fick dein Muttah“ aus Respekt für diese im Streit ruft.
Jetzt nimmt dieser junge Mann an einem Flirtkurs teil, wo ihm Menschen dieses Landes von ihren Geldern Unterricht darin geben, wie er an deutsche Frauen rankommt. Die Obsession, die dieses Land damit hat jungen Männern Frauen nahezubringen, ist ihm schwer verständlich. Jetzt kommt dazu, dass in dem Kurs keine deutschen Männer und keine nichtdeutschen Frauen sind. Was will man ihm damit vermitteln? Es ist auch fraglich ob er seiner Schwester erlauben würde an einem Kurs der das Ziel hat, sie an einen Deutschen zu vermitteln, teilzunehmen. Es fällt immer dieses Wort Integration was so viel bedeuten soll, wie aus ihm einen Deutschen zu machen. Ja gerade die Menschen wollen aus ihm einen Deutschen machen, die Deutschsein verachten. Zugegeben ist das für „Längerhierlebende“ schon schwer genug zu verstehen. Er guckt sich die Menschen an, die schon länger hier leben und aus einer ähnlichen Gesellschaft stammen. Er sieht, wie diese sich in der dritten und vierten Generation integriert haben und stellt fest, dass diese in deutschen Schulklassen so etwas wie:“ Wenn mei Schwesta n deutschn Freund hat dann bringichn um!“ ohne Konsequenzen davon zu tragen. Er lebt vielleicht in dieser Gastfamilie aus diesem TAZ Artikel, die auch Angst empfindet wenn ihr Schützling eine türkische Freundin, von den hier schon länger lebenden Türken wählt (aus dem Artikel): „Seit kurzem hat Juody eine Freundin, 14 Jahre alt, türkischer Herkunft. Die Pflegeeltern werden hellhörig. Nicht dass der türkische Vater plötzlich vor der Tür steht.“ Ja das ist eine Kultur auf die man noch mit Respekt aufschaut. Er liest vielleicht so tolle Tweets wie den von Miene Waziri, in dem sie sich die Vernichtung Deutschlands herbeisehnt und sieht auch noch Deutsche, die sie verteidigen. Er liest im Spiegel Artikel von Ferda Ataman in denen es fast immer darum geht, dass es Deutsche eigentlich nicht gibt und die keine Kultur haben, die Sprache von Arabern und Türken abstammt und man sie als Kartoffel bezeichnen sollte.
Er will möglicherweise seine Religion und seine Art zu leben gar nicht aufgeben. Ab und zu mal Sex mit einer deutschen Frau geht schon klar und die Annehmlichkeiten des Sozialstaates nutzen ist auch kein Problem. Aber muss er sein Denken und seine Kultur aufgeben? Wenn er sich die schon länger hier Lebenden aus seinem Kulturkreis anguckt, fällt ihm schnell auf, dass er dies nicht muss. Keiner wird ihn dazu zwingen, seiner Schwester oder Frau den freien Willen zu lassen und Abstand von seinem Temperament zu nehmen. Am allerwenigsten werden sich die um seine Schwester kümmern oder sein Verhalten sanktionieren, die so große Töne von Integration spucken. Es gibt gar keinen Sinn für ihn „Deutscher“ werden zu wollen. Alle Araber, Türken und Albaner, die er hier kennengelernt hat, haben auch einen deutschen Pass ohne dafür etwas aufgegeben zu haben und sehen sich eher ihrer Community verpflichtet. Für die Menschen, die sein Verhalten sanktionieren wollen, hat man ihm ein Zauberwort mit auf den Weg gegeben: „Nazi“. Die, die ihm dieses Wort mit auf den Weg gegeben haben und für die er ein Goldstück ist, haben weder ihm, noch irgendwem anders erklärt, aus welchem Grund er sich hier anpassen sollte. Diese Menschen haben es geschafft mit diesem Wort ihre Macht aufrecht zu erhalten und er soll ihnen jetzt dabei helfen, weiterhin an der Macht zu bleiben. Deswegen sind diese Leute auch so scharf darauf, ihm einen deutschen Pass zu geben. Warum sollte er den Schutz seiner arabischen Community aufgeben und darauf verzichten, sich eine Frau aus seinem Kulturkreis einfliegen zu lassen, die sich ihrer Rolle fügt, während er alle Vorzüge der Moderne genießt. Die Nicht-Anpassung ist ein Win-Win für ihn. Er könnte ja für sich entdecken, dass dieses Leben und die deutsche Kultur besser sind und diese Art des Umgangs miteinander einen Frieden im täglichen Leben sichert. Wenn er aber den Leuten, die ihn so gerne mit einem deutschen Pass ausstatten würden mitteilt, dass diese Kultur hier besser ist, feinden diese ihn auch wieder an und faseln was von Rassismus.
Warum nur? Der Grund:
Vielleicht entdeckt er ja irgendwann nach seinem Flüchtlingsstatus als Migrant, die Liebe zu Deutschland und den Deutschen (was ich hoffe), wie Akif Pirincci, Imad Karim, Homib Mebrahtu, Laleh Hadjimohamadvali oder wie Feroz Khan. Dann wäre das mit dem deutschen Pass aus linker Sicht aber in die Hose gegangen (was es ja auch bei Nicht-Anpassung wird, aber eben dann schon früher).
Nach allem was ich mit Migranten (wir reden wieder nicht von Italienern, Vietnamesen, Spaniern, Polen) erlebt habe und dort sehe, wo sie die Mehrheit stellen, schätze ich die Wahrscheinlichkeit sehr gering ein, dass er sich dieser Gesellschaft anpasst. Diese Gesellschaft und die Menschen, die an die intrinsisch motivierte Anpassung glauben, glauben dieses ja nur, weil sie ihre Comfortzone nicht verlassen wollen und gerade nicht für ihre Werte einstehen. Er kommt aber vielleicht gerade aus einer Gesellschaft, wo Schwäche verachtet wird und Gutmütigkeit Schwäche ist.
Es freut mich umso mehr, wenn er sich anpasst, doch falls nicht, habe ich Verständnis!