„Bevor dein Kind zum ersten Mal mit Zunge küsst, hat es vermutlich einen Gang-Bang gesehen!“, meint Erika Lust. Weil sie nicht will, dass ihre Töchter von schmierigen Sex-Maschinen mit frauenverachtenden Attitüden aufgeklärt werden, nimmt sie den Männern die Porno-Branche aus der Hand und revolutioniert ein Millionen-Business.
Clarke Kent, der Frutarier, vögelt für eine bessere Welt. Der Mitt-Dreißiger rollt von seiner Gefährtin, die sehr zufrieden aussieht. „Kannst du dir vorstellen,“ fragt Regisseurin Erika Lust, „dass er nur Früchte isst? Ausschließlich!“ Sie gerät ins Schwärmen: „And he can have sex, I tell you!! Absolutely amazing!“. Klassisches „Pornomaterial“ ist Kent nicht – zu blass, zu wenig Macho, fast ein bisschen weiblich, mit kinnlangen Haaren. „In meinen Filmen arbeite ich gerne mit Amateuren,“ sagt Lust, „mit echten Liebenden!“ Hier liegt auch der Grund für ihre Begeisterung: Männer haben es auf Porno-Sets nicht leicht. Kent ist ein Ausnahmetalent.
Schenk uns bitte ein Like auf Facebook! #meinungsfreiheit #pressefreiheit
Danke!
Erika Lust, Porno-Regisseurin. 37, Schwedin, 2-fach Mama, studierte Gender-Wissenschaftlerin. Im ersten Porno, den sie sah, bearbeitete ein braun gebrannter, Muskelprotz zehn bulgarische Mädchen. „Das war so widerlich“, erinnert sie sich, „sexistisch, chauvinistisch und fürchterlich für die Frauen“. Zehn Jahre würden vergehen, bis sie selber zum ersten Mal Nackte am Film-Set dirigieren sollte. Männer und Frauen, die sich auf Augenhöhe begegnen. Seither hat sie mit Filmen wie „The Good Girl“ oder „Hotel Room 33“ Karriere gemacht. Mit Look! spricht Lust über Feminismus, Fantasien und Flotte Dreier.
Look!: Erika, wie sehen Sie das? Wenn ich mir einfach keinen Porno ansehe, kann mir im Grunde egal sein, was in den Schmuddel-Filmchen dieser Welt passiert oder?Lust: Kann es, sollte es aber nicht. Zu sagen: Ich seh´ mir das nicht an, also betrifft es mich nicht, ist etwas zu kurz gedacht. Schauen wir uns einfach die Fakten an: Ein Drittel des gesamten Web-Traffics ist Pornografie, jede vierte Google-Suche hat etwas mit Sex zu tun. Teenager schauen Online-Pornos bevor sie mit jemandem schlafen, was bedeutet: Pornos sind der Aufklärungsunterricht des 21. Jahrhunderts. Und, wie ist das bei Ihnen? Wollen Sie, dass Ihre Kinder von diesen schmierigen, frauenverachtenden Macho-Typen aufgeklärt werden? Ich will das nicht, deswegen denke ich mir: Es ist Zeit, dass sich die Porno-Branche ändert!
Look!: Was mögen Sie nicht am Mainstream-Porno?Lust: Ich erzähle Ihnen mal von den ersten beiden Erfahrungen, die ich mit Pornos gemacht habe: Die erste war mit 13. Ich war zu einer Übernachtungsparty bei einer Freundin eingeladen, die mich ganz aufgeregt angerufen hat, weil sie im Geheimversteck ihres Vaters ein Porno-Video gefunden hatte. Wir saßen da auf der Couch: Popcorn, Pyjamas und ein schlechter Porno-Film. Zuerst kicherten wir aber dann fanden wir einfach nur noch abstoßend, was wir da sahen. Es hat sich einfach entsetzlich angefühlt, das zu sehen. Meine zweite Erfahrung war dann auf der Uni. Mein damaliger Freund machte den Vorschlag einen Porno-Film anzuschauen und ich denke, diese Erfahrung haben einige mit mir gemeinsam. Wir schauten den Film und natürlich erregte mich, was ich sah, aber mir gefiel es nicht. Mein Körper mochte es, mein Kopf aber nicht. Viele Frauen – und Männer – stören sich einfach an den frauenverachtenden Darstellungen.
Look!: Was Sie machen wird als „feministische Pornografie“ bezeichnet. Zwei Begriffe, die es in sich haben… der „Feminismus“ verdirbt vielen Männern die Lust auf Sex, die „Pornographie“ vielen Frauen. Keine leichten Voraussetzungen, unter denen Sie da arbeiten…Lust: Das stimmt! (lacht) Wenn mich wer fragt, was ich beruflich mache und ich antworte mit “feministische Pornos”…die Leute schauen mich an, als käme ich direkt aus der Hölle. Ich bin von allen Seiten verflucht! (lacht) Ich selbst habe kein Problem mit dem Begriff, aber was denken Sie, wie diese Männer da hinten an der Bar reagieren würden, wenn ich Ihnen sage: „Ich drehe Pornos!“ Die würden vermutlich ziemlich blöd schauen. Und wenn ich Ihnen sagen würde, ich mache was mit Feminismus, würden Sie denken, ich wolle ihnen etwas antun. Da ist so schade, manchmal wünschte ich mir ich könnte die beiden Begriffe einfach in eine Waschmaschine stecken und rein waschen.
Look!: Sehen eigentlich viele Frauen Pornos?Lust: Der Zugang dazu ist in den vergangenen Jahren sehr viel leichter geworden, also schauen sich auch mehr Frauen Sex-Filme an – und beschweren sich darüber. Pornographie hat ja durchaus das Potential eine Bereicherung zu sein. Viele Frauen beklagen sich darüber, dass sie einfach keine Lust mehr auf Sex haben – da können Pornos helfen…wenn sie gut gemacht sind, respektvoll und wenn im Film die Werte vertreten werden, für die man selbst steht.
Look!: Wie geht guter Porno?Lust: (lacht) Mit einer guten Geschichte, einem professionellen Film-Team und glaubwürdigen Darstellern.
Look!: Sie drehen Ihre Filme gerne mit Amateuren – sind also vermutlich Expertin in puncto Erektionsschwierigkeiten…Lust: Für Männer ist es wirklich nicht leicht am Film-Set. Vor einer gesamten Film-Crew von rund 15 Leuten zu performen ist für Ungeübte eine Herausforderung. Sogar für Männer, die sehr, sehr überzeugt von sich sind.
Look!: Woher bekommen Sie Ihre Laien?Lust: Die Leute schreiben mir. Jeden Tag. Vor allem von Männern bekomme ich superviele Emails. Von Frauen auch, aber die überlegen genauer, bevor sie schreiben. Die Männer gehen´s einfach an, denken nicht lange nach.
Look!: Hört sich vermutlich zu verlockend an: Mit schönen Frauen schlafen, dafür noch Geld bekommen und eventuell berühmt werden.Lust: Ja, aber da steckt wirklich harte Arbeit dahinter.
Look!: Für Ihr aktuelles Projekt „XConfessions“ fordern Sie Leute auf, Ihnen ihre Sex-Fantasien zu schicken. Die besten Einsendungen verfilmen Sie dann und stellen sie auf Ihrer Homepage zur Verfügung. Was sind die beliebtesten erotischen Fantasien der Menschen?Lust: Untreue ist sehr populär. Gefolgt von Dreiern und Unterwerfungs-Fantasien. Wir brauchen übrigens mehr deutsche Texte, falls Sie Platz haben, das zu erwähnen!
Look!: Letzte Frage: Wie fänden Sie es, wenn ich Ihnen sage, dass ich jetzt nach Hause gehe und mein privates Sex-Tape auf „youporn“ hochlade?Lust: (lacht) Sie wollen mich fragen, ob ich Angst vor der Internet-Konkurrenz habe? Nein, habe ich nicht! Komplett anderes Publikum und meine Geschichten sind mit hochwertigen Kameras gefilmt, mit einem professionellen Film-Team – Make-Up-Artists, Regie-Assistenten, Art Director etc. Abgesehen davon, fände ich es gut, wenn Sie das machen! Die Welt braucht mehr Frauen im Porno-Business.
Interview geführt von Verena Randolf. Erschienen in der Dezember-Ausgabe von Uschi Fellners Look!