Es ist ein ganz normales Wohnhaus. Pensionisten, Angestellte und Familien. Nur: Während die Kinder oben „Cowboy und Indianer“ spielen, werden unten - im Souterrain - Erwachsene an den Marterpfahl geknüpft und dabei ordentlich verdroschen. Der kleine Chihuahua hat allem Anschein nach schon so einiges gesehen. Dass wenige Meter neben ihm ein blondes Mädchen gut verschnürt und halbnackt rund einen Meter über dem Boden in Seilen baumelt, hält den kleinen Hund genauso wenig von seinem Nickerchen ab, wie das regelmäßige Aufklatschen einer Peitsche am nackten Hintern eines Mannes in Latexoberteil. „Marla“ schnarcht im Schoß ihres Frauchens, das mal den Hunderücken, mal den Kopf des Mannes in Gummimaske streichelt, der neben ihren Füßen kniet, devot zu Boden blickt und „Ja, Herrin“ zu ihr sagt.
Kein aufgeregtes Gebell, als Sir Francis die junge, eingeschnürte Frau, der er mittels Flaschenzug den Boden unter den Füßen weggezogen hat, prüfend anschubst, so dass sie sich völlig hilflos um die eigene Achse dreht. Kritisch verschränkt der Dom die Arme vor seiner Brust und betrachtet die Bondage-Knoten, die er in engem Abstand über Oberkörper und Beine des Mädchens ins Seil geknüpft hat. Er zupft ein bisschen hier, ein bisschen da und setzt sich dann zu seiner Frau, Lady Sky, an den Tisch, um ein Interview zu geben:
look: Kurz vorweg: Sir Francis, muss ich Angst haben, dass Sie die Peitsche holen, wenn ich eine unpassende Frage stelle?Sir Francis: (lacht) Nein, keine Sorge! Wenn Sie keine Lust darauf hätten, von mir geschlagen zu werden, dann würde mich das auch nicht kicken…. Ich lebe von der Lust meines Gegenübers.
look: Wir befinden uns hier im Atelier, das Sie mit Ihrer Ehefrau betreiben. Männer und Frauen kommen hierher, um sich als Sklaven von Ihnen behandeln zu lassen. Pro Stunde zahlen diese Menschen 250 Euro, um gefesselt, geschlagen und gedemütigt zu werden. Warum?
Sir Francis: Die Menschen haben verschiedene Zugänge. Der eine will sich was beweisen und sagen können: „Ich halte das aus!“. In 90% der Fälle geht es aber um die Suche nach Anerkennung. Man will als Sub, dass sein Dom stolz ist, auf das, was man ertragen hat.look: Dass man nicht weint, wenn einem eine erwachsene Frau in hohen Hacken über den Rücken läuft, zum Beispiel?
Lady Sky: Ja, zum Beispiel. Männer, die unterwürfig veranlagt sind, haben es in unserer Gesellschaft nicht leicht. Der Mann hat immer stark zu sein. Trotzdem haben viele Männer die Sehnsucht, sich einfach fallen zu lassen. Der Reiz liegt darin, mal die Kontrolle abzugeben.
look: Was macht Ihrer Meinung nach eine gute Domina aus?Lady Sky: Eine gute Domina ist für mich eine Künstlerin und eine Therapeutin…
look: …, die die sexuellen Wünsche ihrer Gäste erfüllt.Lady Sky: Ja, das wollen wir nicht beschönigen. Es ist natürlich Sexwork - aber viele verwechseln die Arbeit einer Domina mit der einer Prostituierten. Was ich hier mache, ist nicht Sex mit ein bisschen Peitschenknallen! Ich erfülle Fantasien und Träume, bin aber selbst unberührbar. Sex mit den Männern zu haben, würde meine ganze Dominanz brechen.
look: Sir Francis, Sie nützen das Atelier hier zum Spaß und werden nicht bezahlt, weil – so die gängige Meinung – Frauen für die Erfüllung ihrer sexuellen Wünsche nicht zahlen müssen. Das mag im Normalfall so sein. Was mache ich aber, wenn ich den ehrlichen Wunsch habe, mir in luftundurchlässiger Latex-Maske auf den Bauch pinkeln zu lassen? Jemanden, der bereit ist, mir diesen Wunsch zu erfüllen, finde ich vermutlich nicht einfach so beim Fortgehen…Sir Francis: Das hängt davon ab, wo Sie fortgehen. Unterm Strich: In den richtigen Kreisen finden Sie jemanden, der das macht.
look: Schlummert in jedem von uns eine Sub oder ein Dom?Lady Sky: Davon bin ich überzeugt. Eines von beiden oder beides.
look: Gibt es ein Einstiegsszenario, das Sie empfehlen können? Wie vermittelt man seinem Partner, dass man gerne mal Sadomaso ausprobieren möchte?Sir Francis: Wenn die Beziehung gefestigt genug ist, könnte man zum Beispiel gemeinsam zum SM-Stammtisch gehen. Wäre ich Paartherapeut würde ich sagen: „Sucht euch jeder einen Spielpartner, der euch gefällt, der Erfahrung hat und habt euren Spaß.“
look: Damit verstößt man vermutlich gegen eine Handvoll von Gelübden, wenn man verheiratet ist…Sir Francis: Kommt drauf an. Wenn man sich vorher Grenzen setzt und darüber redet…es wird ja niemand gezwungen, Sex zu haben.look: Letzte Frage: Sie sind beide dominant und leben in einer Beziehung miteinander. Wie funktioniert das in der Praxis?Lady Sky: (lacht) Wir haben da eine ganz einfache Regel: Wer als Erster beim Rohrstock ist, hat gewonnen.
Dieses Interview führte Verena Randolf. Es ist in der März-Ausgabe von Look! erschienen.