Kindheit in der "goldenen Generation"

Es ist nicht alles Gold, was glänzt 1. Teil

"Goldene Generation" werden die Kinder genannt, die in den Jahren nach dem Krieg geboren wurden und ihr bisheriges Leben in Frieden und politischer Sicherheit verbringen konnten. Dazu gehöre ich. Meine Mutter, eine zarte Porzellanpuppenschönheit, kam aus einer wohlhabenden Familie, die in einer bäuerlichen Gegend ein großes Haus führte. Diese hatte wohl sich etwas anderes als einen Landarzt, den Sohn eines Bundesbeamten, als Schwiegersohn gewünscht. Und sie ließ es ihm auch immer wieder fühlen, dass er nicht so ganz ebenbürdig war und so auch mir, ein - zugegeben - schrecklich schlimmes Gfrast von einem Kind. Über meine tierischen Kindheitserinnerungen hab ich schon geschrieben - nun der andere Teil:

Bis zu meinem 10. Lebensjahr wuchs ich in großer Freiheit auf, meine liebsten Spielkameraden waren Tiere, in der Schule tat ich mir sehr leicht - meine Tochter wollte mir nie glauben, dass ich alle Volksschulklassen lauter "Einser" hatte. Aber so richtige Freunde hatte ich in der Volksschule nicht, da waren alle Tiere des Ortes meine Spielpartner. Wir hatten damals einen riesigen Garten, der mein Paradies war. Ich war kein hübsches, aber ein recht gescheites und altkluges Kind. Im selben Haus wohnte "Tante" L., meine heißgeliebte "Babysitterin", bei der ich öfter als bei meinen Eltern war. Sie war mit einem Polizisten (Onkel H.) verheiratet, ich war "ihr" Kind und sie hatten auch viele Tiere, mit denen ich mich bechäftigen konnte.

Eines Tages bekamen meine Eltern Besuch einer Familie, die einen wunderschönen, blondgelockten "Engel" mit blitzblauen Augen mitführten, der sich als unglaublich sadistischer Teufel entpuppte - zuerst fing er an, alle meine Spielsachen, auf die ich sehr heikel war, zu ruinieren. Wollte ich ihn daran hindern, stieß er spitze schrille Schreie aus, also wurden wir in den Garten geschickt. Dort fing er sofort einen Grashüpfer und begann ihm die Beine auszureißen - das war mir zuviel - ich nahm das nächste Gartengerät - ein Heintl - und zog ihm das über seine blonden Locken - er war so veblüfft, dass er aufs Schreien vergaß - das nützte ich zur Flucht zur Tante L. - "recht hast ghabt" - und versteckte mich dort, während mein Vater die Wunde nähen musste. Erst als es zu dunkeln begann und ich mich darauf verlassen konnte, dass die Sorge meiner Eltern ihren Zorn überstieg, holte mich Onkel H. heraus - "jetzt sinds weich". Seitdem hab ich immer einen Bogen um blonde blauäugige Männer gemacht.Die Ferien verbrachte ich stets bei meine Großelten in ihrem riesigen Haus, ich war immer in den angrenzenden Wäldern und Feldern unterwegs zum Natur beobachten. Dort hatte ich auch Kontakt mit anderen Kindern, mit einem gleichaltrigen Verwandten und seinem Freund waren wir die berüchtigte "Dreierbande" die das Dorf unsicher machte - ich war nicht als Mädchen zu erkennen, hatte eine Stoppelglatze und meine Kleidung bestand aus einem Ruderleiberl und einer kurzen Lederhose:

Meine Großeltern hatten 2 Foxeln und die Nachbarn einen Bernhardiner, mit denen wir immer ins Bad (ein kleines Wehr) zogen. Die dort herumschwimmenden Gelbrandkäfer (sie können - wie ihre Larven - höllisch beißen) fingen wir in einem Käscher und vesteckten sie in der Unterwäsche von ungeliebten Badegästen - "müsst ihr immer die Hunde mitnehmen - das ist unhygienisch" Die Kirschkerne sammelten wir und kletterten dann auf den großen Kastanienbaum, unter dem sich die Liebespärchen zu treffen pflegten und schmissen denen die Kerne auf den Kopf. Einem Nachbarn und Katzenhasser verschütteten wir eine Flasche Baldrian vor dessen Fenstern, das Katzenkonzert war die ganze Nacht zu hören.

Auch gab es damals noch einen Gemeindestier, traditionell "Sepperl" geheißen, zu dem die Bauern ihre Kühe brachten, eingesperrt in einem Holzverschlag, der uns natürlich leid tat und so befreiten wir ihn eines Tages. Sepperl ließ sich das nicht zwei mal sagen und raste beglückt durch den Ort, alle im Weg stehenden Betonblumenschüsseln (der Stolz des neuen Bürgermeisters) hinwegfegend. Es dauerte mehr als 4 Stunden, bis sie ihn wieder einfangen konnten.

In der Nachbarchaft war ein winziger Gasthof, wo ein Kantor mit Familie Sommerfrische machte, dessen alter Großvater ein großer Kinderfreund war und den ich so geliebt habe, dass ich jiddisch sprechen lernte (er konnte nicht Deutsch) - ich kann es heute noch so einigermaßen verstehen, wenn auch nicht mehr sprechen.Da meine Eltern mir eine gute Schulbildung ermöglichen wollten und es im Umkreis der Landpraxis meines Vaters kein Gymnasium gab, das leicht zu erreichen war, schickten sie mich - auf Befehl meines strengen Großvaters - in ein exklusives Klosterinternat. Das war damals so üblich fur "höhere Töchter".

Könnt ihr euch vorstellen: Ich, ein wilder Bub, der plötzlich ein braves Mädchen sein sollte - was das für ein Schock für mich war?

Aber das ist eine andere Geschichte.

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Daniela Noitz

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