Alle Jahre wieder: Das Appartement

Die Weihnachtszeit ist eine Zeit der Rituale. Ganz vorn in der Liste der Rituale, die ich nicht mehr missen möchte, ist die Sichtung des grandiosen Films „Das Appartement“, mit dem fantastischen Jack Lemmon in der Hauptrolle und Shirley MacLaine als Dame seines Herzens. Im Laufe der Jahre habe ich den Film mehrmals sowohl im Original als auch die deutsche Synchronfassung gesehen. Die Komik kommt auch in der deutschsprachigen Version durch, das ist bei Tragikomödien keineswegs selbstverständlich. Dieser Mister Baxter ist ein selbstloser Zeitgenosse, der sein Apartment höhergestellten Mitarbeitern des Unternehmens, für das er arbeitet, in Hinblick auf deren ungestörte sexuellen Ausschweifungen zur Verfügung stellt. Hierbei kommt es zu allerlei kuriosen und lustigen Episoden. Doch tragisch wird es, als ausgerechnet die Dame seines Herzens, Miss Kubelik, nach einer heftigen Aussprache mit ihrem verheirateten Liebhaber einen Selbstmordversuch unternimmt. Mister Baxter findet sie in bewusstlosem Zustand gerade noch rechtzeitig in seinem Schlafzimmer vor, und sein Nachbar, ein verständnisvoller Arzt, rettet ihr durch Magenauspumpen das Leben, schließlich hat sie eine gehörige Menge Schlaftabletten geschluckt. Der Arzt glaubt, Baxter habe einen großartigen Frauenverschleiß, in Unkenntnis dessen, in welcher Zwangslage sich dieser befindet.

Mister Baxter nämlich ist rasend schnell zum Assistenten des Chefs, der Miss Kubelik das Herz gebrochen hat, aufgestiegen. Die Abteilungsleiter haben ihn für diese Position empfohlen, sie ziehen aus seinem jederzeit als Liebeslaube zur Verfügung stehenden Appartement ja einen nicht zu verachtenden Nutzen. Doch Mr. Sheldrake hat nicht damit gerechnet, dass Baxter nicht um jeden Preis den Schlüssel seines Apartments hergibt...

Das Besondere an diesem herzerwärmenden Film, den zweifellos Millionen von Menschen kennen werden, sodass ich nicht Gefahr laufe, den einen oder anderen Spoiler zu verraten, ist der Zeitrahmen, in dem er erzählt wird. Er beginnt in der Weihnachtszeit und endet mit einer rauschenden Silvesternacht. Für Baxter werden die Ereignisse sein Leben auf den Kopf stellen. Er wird sich vom ewigen Junggesellen, der anderen ständig nur die Räuberleiter macht, zum seine Gefühle nicht mehr verdrängenden Liebenden mausern. Das glückliche Ende lässt den Zuschauer mit einem positiven Gefühl zurück.

Weihnachten kann ein Neuaufbruch sein, Sehnsüchte können sich erfüllen oder werden wenigstens reflektiert. Warum nicht zu seinen eigenen Gefühlen stehen, und endlich aufhören, den Mitmenschen mit der passenden Maske zu begegnen? Baxter war nie der Mensch, für den ihn seine höhergestellten Kollegen und der Chef hielten. Er litt unter der Rolle, die sie ihm zugeordnet hatten. Doch eines Tages entscheidet er sich, aus dem unbequemen Schatten seiner traurigen Rolle zu schlüpfen, und sein Leben endlich selbst mitzubestimmen. Das ist möglicherweise die besondere Botschaft des Films: Gib Dich nicht mit einem Schattendasein zufrieden, sondern gestalte Dein Leben so, wie Du es für richtig hältst, werde selbst Hüter Deines Lebens und sei Dir dabei treu!

Ich entdecke „Das Appartement“ Jahr für Jahr aufs Neue und freue mich jedes Mal mit Mister Baxter, dass er aus seinem Herzen keine Mördergrube mehr macht, und Farbe bekennt. Das ist jedem Menschen zu wünschen, der bislang beim Blick in den Spiegel nur die Maske sieht, mit der er die Mitmenschen und sich selbst zum Narren hält.

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Silvia Jelincic

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