Ich war fünf Jahre alt, da starb eine Großtante. Sie war 35 Jahre alt geworden, der Brustkrebs hatte sie dahingerafft. Meine Eltern nahmen mich zum Begräbnis auf dem Lande mit. Ich kann mich nicht an viel erinnern, doch es gibt zwei Eindrücke, welche die Zeiten überdauert haben. Das Gefühl, mich auf einem Friedhof zu bewegen, erfüllte mich nicht mit Befremdung. Ich quengelte nicht herum, wollte nicht wieder zurück in die Stadt, in die mir vertraute Gegend des zweiten Wiener Gemeindebezirks. Und dann trat eine Frau an mich heran und fragte mich, ob ich meine Tante noch einmal sehen wolle. Ich glaube, dass ich darauf keine Antwort fand. Die tote Hülle meiner Tante bekam ich nicht zu Gesicht. Rückblickend finde ich es äußerst bemerkenswert, dass mir diese Frau die Frage gestellt hat. Damit hat sie mich den Erwachsenen gleich gestellt. Sie traute mir zu, eine Entscheidung zu treffen.
Dieses erste Begräbnis meines Lebens und diese mir widerfahrene Gleichstellung waren vielleicht die Initialzündung für die Entwicklung jenes Grundvertrauens, mit dem ich heute ausgestattet bin. Das Grundvertrauen in Etwas, das viel größer ist als ich. Und damals startete wohl meine Karriere als Friedhofsgänger.
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