Thomas Kotulla war schwer krank. In dieser Zeit sinnierte er über sich und sein Leben nach. Bald kam die Sinnfrage auf, schließlich beschäftigte er sich mit der Gottesfrage, der christliche Glaube war ein weiterer wichtiger Schritt. Und er entwickelte ein Gedankengerüst, das er anderen Menschen nicht vorenthalten wollte. Also schrieb er ein Buch, welches er „Die Begründung der Welt“ nannte. Dieses Buch macht es sich zur Aufgabe, den christlichen Glauben rational zu erklären. Mehr noch: Gültigkeit und Wahrheit nachzuweisen!

Es ist freilich ein erstaunliches Unterfangen, ein Glaubensbild belegen zu wollen. Kotulla geht hierbei Schritt für Schritt vor, erster Ansatzpunkt ist die Übernatürlichkeit des Menschen, die er mit dessen Reflexionsfähigkeit und über sich hinausweisenden Erkenntnismöglichkeiten zu belegen sucht. Ein Punkt folgt auf den nächsten, am Ende ist der christliche Glaube in ein rationales Gerüst gesteckt, wo – scheinbar – alle Fragen beantwortet sind. Der Leser kann, insofern er der logischen Gedankenkette von Kotulla folgt, tatsächlich zur Ansicht gelangen, das Christentum sei die einzig „wahre“ Religion. Genau hier setzt meine Kritik an: Sollte es Gott dem Menschen so einfach machen, ihn zu durchschauen? Ist es nicht vielmehr so, dass der Mensch sich kein Bild von Gott machen kann? Kotulla erschafft dieses Bild und er präsentiert es. Er macht Gott sozusagen für jeden sichtbar und sogar angreifbar.

Kotulla argumentiert mit vielen Zitaten aus der Bibel, insbesondere dem neuen Testament. Diese Zitate sind für sich betrachtet wunderbar, doch aus dem Zusammenhang gerissen nicht immer verständlich. Wenn Kotulla etwa meint, der heilige Geist wäre erst vor etwa 2000 Jahren mit der Fleischwerdung Gottes den Menschen zuteil geworden, dann ist dies absurd. Der heilige Geist ist ja wohl nicht auf eine Zeitspanne einzugrenzen? Abgesehen davon, dass den Tieren keine Stimme zuteil wird. Eine Spielart des Anthropozentrismus ist dem Text von Kotulla nicht abzusprechen. Er argumentiert auf den Endzweck bedacht, die Gottessohnschaft von Jesus Christus zu beweisen. „Die Begründung der Welt“ hat mich teilweise fasziniert, teilweise nachdenklich gemacht, teilweise einen kritischen Dialog mit dem Autor eingehen lassen. Tatsächlich kam es zu einer kleinen Mail-Verständigung, wo er seine Ansichten zumindest leicht modifizierte. Das Buch ist lesenswert, keine Frage. Bedacht werden sollte aber, dass mit dem gelebten Glauben – egal welcher Ausrichtung! – die Unfassbarkeit unserer Existenz nicht fassbarer gemacht wird, sondern vielmehr umso geheimnisvoller erscheint. Rationale Begründungen des christlichen Glaubens sind vielleicht kleine Anker, an denen sich mancher noch im Zweifel stehende Mensch festhalten kann. Der Aufbau einer Beziehung zu Gott ist aber immer eine ganz persönliche Angelegenheit, und lässt sich rational nicht festmachen.

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Kristallfrau

Kristallfrau bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:16:56

Silvia Jelincic

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