Snirks Café bleibt geschlossen

Wer kennt sie nicht, die täglichen Comic-Serien in diversen Tageszeitungen? Ich bekenne mich dazu, Comic-Strips als wichtigen Teil von Zeitungslektüre einzustufen. Dies ist ein anderer Zugang zu diesem literarischen Genre als das Lesen umfassender Schmöker. Von 2002 bis 2010 erschien der mittlerweile berühmt gewordene Strizz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Viele Jahre täglich, gegen Ende hin am Wochenende. Als Krönung erweist sich, dass jedes Strizz-Jahr als eigener Comic-Band erschienen ist. Die letzten beiden Jahre als Doppelpack in einer edlen Ausstattung.

Von Anfang an war ich ein großer Fan der Serie. Das Leben des scheinbar langweiligen Büroangestellten Strizz vermochte zu verzaubern. Sein altkluger, nie den Kinderschuhen entwachsener Neffe Raphael, der in der Vergangenheit lebende Berres, der seit ewigen Zeiten im gleichen Unternehmen tätig ist, und dies sogar in seiner Pension nicht aufgibt, die tierische Bande rund um den gerissenen, politisch sehr aktiven Kater Paul und viele andere Figuren blieben über die ganzen Jahre ein Teil meines literarischen Universums. Als dann der letzte Comic-Strip mit Strizz gezeichnet und von mir begutachtet war, fühlte ich so etwas wie Wehmut aufkommen.

Doch 2014 folgte eine große Überraschung, so etwas wie die „Auferstehung“ von Strizz, diesmal nennt er sich allerdings Snirk. Dieser Bursche ist so etwas wie das alter ego von Strizz. Snirk ist voller Tatendrang, sich selbständig zu machen. Das nötige Kleingeld dafür hofft er von seinem reichen Opa zu lukrieren. Snirk ist bereit, die ungewöhnlichsten Aufträge auszuführen, insofern sie die Kasse klingeln lassen. Er ist dabei, die ersten Pläne zu schmieden, da wird er gemeinsam mit einem sehr einsilbigen Begleiter in die Fremde geschickt. Das Ziel ist die karibische Insel Curacao, wo er den Sohn des Opas, also seinen eigenen Vater finden soll. Was sich anfangs als unmöglich erweist, gelingt dann tatsächlich. Snirks Vater erweist sich nicht unbedingt als Mensch mit Vorbildcharakter, aber mit der Zeit nähern sich Sohn und Vater einander an. Die verrückten Geschichten, die Snirk und sein Begleiter erleben, werden von der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien umrahmt.

Kaum begonnen, endet die Serie am 10. Juli 2014, wo nicht nur vom 7:1 Deutschlands gegen Brasilien die Rede ist, sondern Snirk von der Schwiegermutter von Strizz einen Anruf erhält. Ob er denn nicht daran interessiert sei, in die Holzbranche einzusteigen, genauer gesagt bei Leo und Co? Für dieses Unternehmen arbeitet Strizz schon seit gefühlten Jahrhunderten... Also, es wäre hochspannend gewesen, die einander äußerlich sehr ähnelnden Charaktere Snirk und Strizz in der gleichen Firma arbeiten zu sehen. Aber aus einer Fortsetzung von Snirks Café wurde nichts. Die F.A.Z. hatte den Entschluß gefasst, keine Comics mehr abzudrucken. Volker Reiche, der großartige Schöpfer von Strizzund Snirk zeigte sich darüber sehr enttäuscht. Damit bleibt bedauerlicherweise Snirks Cafe geschlossen. Und ob die Rollladen je wieder hochgezogen werden, ist wohl auszuschließen. Es ist nur ein Glück, dass Volker Reiche zwischenzeitlich einen in seiner Art einmaligen Comic geschaffen hat. Der Titel ist Kiesgrubennnachtund es ist eine Art Autobiographie mit starkem Fokus auf die Beziehung zu seinem Vater. Dieser hatte im zweiten Weltkrieg eine Rolle, die nicht so recht aufgedeckt werden kann. Näheres dazu hier.

Der Sammelband über Snirk wird keine Fortsetzungen erfahren. Damit bleibt es dabei, dass Strizzdie bemerkenswerteste Comic-Serie darstellt, die ich je in einer Tageszeitung über so viele Jahre verfolgen durfte.

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