Zum 80. Geburtstag von Woody Allen

Das Universum expandiert.“ Dies ist ein Satz, den ein Knabe im Stadtneurotikerformuliert. Ein Film, der für mich den Einstieg in die Welt des Woody Allen bedeutete. Es folgten zahlreiche weitere Filme, an denen ich Gefallen fand. Und eines Tages kam ein Film in die Kinos, den ich bis heute und wohl darüber hinaus überhaupt für einen der besten Filme der Filmgeschichte einstufe. Match point ist ein Meisterwerk. Darauf angesprochen meint Woody Allen in einer Doku, dass er diesen Film nicht höher einstuft als seine anderen Werke. Bescheidenheit oder Selbstzweifel? Vielleicht hofft er immer noch, DEN Film zu produzieren, mit dem er abschließen kann. Aber kann er je abschließen, den Vorhang zuziehen?

Match point orientiert sich auf eine heutige Weise an Schuld und Sühne respektive Verbrechen und Strafe von Dostojewski. Eine Winzigkeit kann das Leben des Protagonisten auf den Kopf stellen. Ob ein Ball bei einem Tennis-Match auf der Netzkante abprallt und ins eigene Feld zurück springt oder gerade so das Netz überwindet und auf der anderen Seite zu liegen kommt, ist „Zufall“, „Bestimmung“, was auch immer. Solche Situationen ziehen sich durch das Leben der Menschen. Da braucht er kein Tennis-Trainer zu sein, wie es der Hauptprotagonist in Match point ist. Dieser Film ist so etwas wie eine sonderbare Ode an das Leben. Wie der „Zufall“ die Dinge ändert, in eine andere Ordnung bringt. Und es geht um die Frage, ob ein an der Netzkante tänzelnder Ball die Nerven zerrüttet oder eine neue Sichtweise auf das Leben zulässt. Vieles im Leben ist in der Schwebe, Unsicherheit ist dominierend.

Woody Allen hat lustige, komische, tragikomische, tragische (Innenleben!) und musikalische Filme gedreht. Aber genau einen, der die Sensibilität und innere Zerrissenheit des Menschen dermaßen bloßlegt. Match point ist der Film, an dem sich eigentlich keine Geister scheiden können. Wer nichts von Woody Allen hält, und das sind viele, wird zugeben müssen, dass Match point etwas Besonderes ist. Das braucht die Polarisierung nicht aufzuheben. Die Einen stufen Woody Allen als Genie ein, die Anderen als mit Komplexen durchsetzten Menschen, manche gar als Psychopathen. Wer ist Woody Allen wirklich? Diese Frage kann weder er noch wir beantworten. Dass er die Filmgeschichte jenseits von Hollywood ungemein mitgestaltet, ja beeinflusst hat, kann mit Fug und Recht behauptet werden.

Philosophie, Klamauk und Beziehungsprobleme in eins zu gießen ist die exzellent entwickelte Fähigkeit des Regisseurs und Drehbuchautors Woody Allen. Ob er sich als Mensch dieses oder jenes zu Schulden hat kommen lassen und wie er mit dieser Schuld zurecht kommt, muss er mit sich selbst ausmachen. Das verbindet ihn mit uns allen, macht ihn zu einem von uns. Woody Allen ist ein Künstler, der das Leben der Menschen auf einmalige Weise beleuchtet, auch wenn nicht alle seiner Filme so fantastisch wie Match point, Innenleben, Der Stadtneurotiker, Manhattan, Midnight in Paris oder Die letzte Nacht des Boris Gruschenko sind. Happy birthday, Mister Allen!

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irmi

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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