Ethik und Frieden: Was ist “Hate Speech”?

“Hate Speech” ist leider ein weitverbreitetes Phaenomen heutzutage ueber welches unzaehlige Artikel geschrieben werden. Doch leider wird auch vieles von einigen als “Hate Speech” bezeichnet, was keine ist sondern nur der eigenen Meinung widerspricht.

Ich bin kein Experte und kenne auch die offizielle Definition von “Hate Speech” nicht, aber ich habe mir ein paar Gedanken dazu gemacht, die ich mit euch teilen moechte. Ich habe ewig nicht geschrieben, deshalb bitte ich um etwas Umsicht. Kritik - positiv wie negativ - ist selbstverstaendlich erwuenscht.

Kants kategorischer Imperativ lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Das klingt gut, aber wie koennte das in der Praxis aussehen und wie erkenne ich mein Handeln?

Oft wird Kants Imperativ auch mit der sogenannten “goldenen Regel” verwechselt:

“Was du nicht willst, was man dir tu, das fueg auch keinem anderen zu.”

Die Handlung / das aus der Maxime der Handlung entstandene Gesetz wird nun zum Nachteil des eigenen Selbsts umgedreht. Auch das reicht selbstverstaendlich noch nicht und setzt voraus, dass man selbst eben kein Opfer von Diebstahl oder anderen Dingen werden moechte. Doch davon gehe ich fuer diesen Text einfach mal aus.

Oder positiv formuliert:

„Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“

Mit etwas Fantasie kann man das sogar in die Zukunft uebertragen. Da, das sehr schwierig zu formulieren ist, nur ein kleines naives Beispiel:

“Wenn ich heute alle Waelder abholze, dann gibt es in der Zukunft keine Baeume mehr. Wenn ich jetzt in der Zukunft geboren werde, ist das ein Zustand den ich haben moechte?”

Und anhand dessen lassen sich auch zum Teil Sicherheitsmassnahmen wie Kameraueberwachung, Vorratsdatenspeicherung, usw. analysieren, da oft davon ausgegangen wird, dass der Staat per se ja “gut” ist, inklusive all seiner Mitarbeiter:

“Wenn das vorhandene System in die ‘falschen’ Haende (die der jeweiligen Gegner) geraet und ich auf der anderen Seite stehe, bin ich dann immer noch dafuer?”

Um ein gesellschaftlich anerkanntes Schreckensszenario zu nutzen: “Wenn Nazis den Staat uebernehmen und dann auf alle bisher auf Vorrat gespeicherten Daten zugreifen koennen um damit unliebsame politische Gegner auszuschalten, die keine Chance haben dies rueckgaengig zu machen (da sie vor der Machtuebernahme in Sicherheit kommuniziert haben), bin ich dann immer noch dafuer, dass es ein allgemeines Gesetz wird / ist?”

Natuerlich koennte man einwenden, dass das a) unrealistisch und b) okay waere im Verhaeltnis zu dem Gewinn, welchen die Vorratsdatenspeicherung sonst bringt. Und das ist absolut legitim. Ich moechte nur dazu anregen manche Dinge aus einer Perspektive zu betrachten, die man vielleicht noch nicht beruecksichtigt hat.

Mit demselben Ansatz kann man zum grossen Teil diskrimierende und auch “Hate Speech” Aussagen aufdecken. Denn ein einfacher Test um Aussagen zu testen ist die angesprochene Gruppe durch eine andere zu ersetzen:

“Alle X sind potenzielle Y.”

Oder Konkreter:

“Alle X sind potenzielle Vergewaltiger.”

Ersetzt man jetzt X mit “Auslaender”, dann ist der Spruch auslaenderfeindlich. Ersetzt man X mit Frauen, dann wundert man sich im allgemeinen, aber wenn aus Vergewaltiger z.B. “Schlampe” wuerde, dann waere es hoechst frauenfeindlich.. Ersetzt man es durch Maenner, dann waere es demnach maennerfeindlich. Ersetzt man es durch Gutmenschen, macht es ueberhaupt keinen Sinn, doch ersetzt man Vergewaltiger durch “Mithelfer von Vergewaltigern”, dann ist es wieder enorm diskreditierend und “gute Menschen”-feindlich. Oder setzt man Nazis (die realen historischen) ein, dann waere es faktisch tatsaechlich nazi-feindlich. (Ich weiss, dass “tatsaechlich” hier eine Wertung ist, aber mir selbst faellt es schwer das zu akzeptieren, da ich diese Gruppe ablehne - was zeigt wie schwierig das sein kann.)

Doch ersetzt man es durch Aliens, dann wird es schwierig, da wir - ausser von einigen wenigen ;) - keine Kenntnisse ueber Aliens haben. Der Satz kann so stimmen oder auch nicht.

“Alle Aliens sind potenzielle Vergewaltiger.”

Einfach mal zu schauen, was man dabei (und bei anderen obigen Aussagen) so fuehlt, ist ein interessantes Experiment.

Die Wertung ergibt sich aus dem Kontext und der eigenen Erfahrung - doch durch das Ersetzen bekommt derselbe Satz einen vollkommen anderen Bezug.

In den meisten Faellen ist der Satz diskriminierend sofern fuer X eine Gruppe und fuer Y ein negatives Bild (dieser Gruppe) eingesetzt wird. Es ist allerdings mit Sicherheit moeglich auch Beispiele zu finden, die nicht funktionieren.

Hierbei ist sehr wichtig: So sehr ich eine Gruppe von X auch verabscheue und meine Meinung nach obigem Schema fuer gerechtfertigt halte, sie wird immer X-feindlich sein. Und wenn ich selbst nicht so behandelt werden moechte von der “Gegenseite”, dann ist es vielleicht sinnvoll das Bild zu reflektieren und zu schweigen. Oder sachlich zu diskutieren. Oder den Satz trotzdem zu schreiben.

Hinweis: Das ist nicht als Redeverbot oder politische Korrektheit gedacht, sondern als ein Reflektionsgebot, eine Idee dem jeder einzelne Mensch oder Alien nachkommen kann oder nicht.

Und dasselbe funktioniert auch bei “Hate Speech”. Aus Gruenden des Friedens verwende ich nur ein stark abgeschwaechtes Beispiel, doch ich bin sicher einige werden andere Beispiele leider kennen.

“Wenn ich diese chauvinistischen Schweine reden hoere, dann will ich sie am liebsten zum Mond schiessen.”

Nun koennte man einwenden: Was ist daran “Hate Speech”? Das ist doch einfach nur die Wahrheit! (Ist es natuerlich nicht …)

Lasst uns den Satz etwas veraendern:

“Wenn ich diese doofen Kuehe reden hoere, dann will ich sie am liebsten zum Mond schiessen.”

“Wenn ich diese frechen Auslaender reden hoere, dann will ich sie am liebsten zum Mond schiessen.” (Das ist nur ein Beispiel - ich distanziere mich davon und finde Auslaender selbstverstaendlich ueberhaupt nicht frech.)

“Wenn ich diese seltsamen Y reden hoere, dann will ich sie am liebsten zum Mond schiessen.”

Hier fuer Y bitte eine beliebige Minderheit wie “LGBT”, “Farbige”, “Buddhisten”, “Islamisten”, “Christen” … einsetzen - je nach Glaubenssystem.

Ob das dann “Hate Speech” oder bloss der Ausdruck eines Gefuehls ist, mag jeder fuer sich selbst entscheiden. Wieder kann hier das Umkehrprinzip helfen: Wenn ich einen Fehler mache oder mich aus Augen anderer falsch verhalte, was jemanden veraergert, moechte ich dann, dass derjenige so ueber mich spricht?

Es kann durchaus sein, dass die fruehere “Schulhofklopperei” (die nicht gerade ethisch und gewaltfrei war) sich heute einfach auf Twitter verlagert hat und das einfach der Ausdruck der neuen Generation ist. Eventuell sind ethische Ideen trotzdem hilfreich, vielleicht gerade um in einer faktisch grenzenlosen virtuellen Welt, wieder persoenliche Grenzen zu ziehen und gleichfalls andere Grenzen nicht zu ueberschreiten.

Zuletzt noch ein kleiner Hinweis: Wie koennte es anders gehen?

Die sogenannte Gewaltfreie Kommunikation (https://de.wikipedia.org/wiki/Gewaltfreie_Kommunikation) gibt hierbei ein paar Hinweise wie Gefuehle ausgedruckt werden koennen ohne im Allgemeinen “gewalttaetig” zu wirken. Auch hier bin ich kein Experte, sondern nur interessierter Laie, der versucht diese Prinzipien im Alltag anzuwenden.

Und auch wenn die GFK an sich soweit mir bekannt ist, meistens zu einem konkreten Gegenueber angewendet wird, habe ich die Erfahrung gemacht, dass man sie auch nutzen kann um ueber Situationen zu sprechen. Auch dieses Beispiel ist rein fiktiv:

Beobachtung: “Drei Typen haben mir im Weg gestanden als ich in die Strassenbahn einsteigen wollte und einfach keinen Platz gemacht.”

Gefuehl: “Das hat mich so wuetend gemacht, ...”

Beduerfnis: “... weil ich moechte, dass mir Platz gemacht wird und ich respektiert werde - besonders wenn ich es offensichtlich eilig habe.”

Bitte: Eine Bitte kann in diesem Fall natuerlich nicht so einfach vorgetragen werden, da das Gegenueber fehlt. Das ist ansonsten aber sehr hilfreich. (siehe das Wikipedia-Beispiel)

Mit diesen Worten schliesse ich dann:

Moeget ihr alle in Frieden leben,

Euer Hans

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