Zum Dilemma der österreichischen Sozialdemokratie.
„Wir können nicht jede Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ von vornherein ausschließen.“ Ganze 30 Jahre hat die SPÖ für diese von ÖGB-Präsident Erich Foglar nun offen ausgesprochene Erkenntnis gebraucht, dass die von Franz Vranitzky im Jahr 1986 ausgerufene Doktrin der Ausgrenzung der FPÖ nicht die klügste rote Entscheidung war. Die ganze Sache hat nur einen Haken: In diesen 30 Jahren hat sich der identitätsstiftende Markenkern der SPÖ auf ihre radikale Gegnerschaft zur FPÖ reduziert. Viel mehr ist nicht mehr übrig von der österreichischen Sozialdemokratie.
Zuletzt hat sich das bei der Wiener Landtagswahl deutlich gezeigt. Das Hauptargument, mit dem die Häupl-SPÖ um Stimmen warb, lautete: "SPÖ wählen, um einen blauen Bürgermeister Strache zu verhindern!" Die SPÖ gewann. Ein bitterer Sieg, der das ganze Dilemma aufzeigt, in dem die österreichische Sozialdemokratie steckt: Bleibt sie bei der kategorischen Ablehnung einer Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ auf Bundesebene, liefert sie sich mangels rot-grüner Mehrheit der ÖVP als einzig möglichen Koalitionspartner aus. Macht sie die Tür zur FPÖ auf, wirft sie eines ihrer letzten verbliebenen Grundprizipien über Bord. Was bleibt, ist das Nichts einer Partei.
Die SPÖ hat ihren historischen Auftrag des 20. Jahrhunderts, die Entproletarisierung, erfüllt - und die Definition eines neuen Auftrages bis heute verabsäumt. Sie wirkt wie eine alte, gebrechliche Frau, die sich, den Tod vor Augen, zurück in die goldenen Zeiten ihre jugendlichen Blüte sehnt. Es fehlt an einem konkreten Entwurf der Zukunft, einem großen Plan für's Land und eine Gesellschaft, die immer mehr auseinander driftet. Aus diesem Mangel heraus, beschränkt sich die Sozialdemokratie seit längerem auf das Bedienen von Randgruppen-Themen und eine kontextlose Einzeller-Politik zwischen Gratis-Zahnspange, Rauchverbot und Homo-Ehe. Die Antworten auf die großen Fragen der Zeit hingegen bleiben aus und beschränken sich auf das Absondern der immerselben Plattitüden und Worthülsen von "sozialer Gerechtigkeit" und "fairer Verteilung".
Das Austauschen von Gesichtern in Regierung und Partei ist da nicht mehr als eine Schock-Therapie, die vielleicht gerade einmal über die nächste Nationalratswahl hinweg hilft, der aber jede Langzeitwirkung fehlt. Will die SPÖ als fixe politische Größe überleben, muss sie sich neu finden und erfinden. Sie muss ihre politischen und ideologischen Koordinaten neu verorten - nicht nur in der Asylfrage. Möglicherweise sogar über den Weg einer Neugründung und Urabstimmung unter allen Mitgliedern.
Es beginnt zu dämmern über Österreichs Sozialdemokratie. Eine Partei im Abendrot ihrer Geschichte. Der Weg zurück führt nur über links. Eine "Refugees welcome"-Philosophie ist damit übrigens nicht gemeint.