Wir – Zeitzeugen von Schicksalstagen für Europa und die Welt.

Ursprünglich sollte sich dieser Blog-Beitrag mit der Flüchtlingspolitik der weit offenen Tore durch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel beschäftigen. Meine Kernthese dazu hätte gelautet: Die von Merkel im Alleingang getroffene Entscheidung, geltendes EU-Recht ("Dublin-Verfahren";) über Kontrolle, Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen staatsstreichartig außer Kraft zu setzen, wiegt so schwer, dass diese Entscheidung bei ausbleibender, sofortiger Revidierung einen derart fatalen Fehler darstellt, dass er in Konsequenz Merkel ihre Kanzlerschaft kosten, Deutschland destabilisieren und Europa spalten wird. Doch dann, mitten im Schreiben des Textes, geschah zuerst Unerwartetes, dem sogleich Unfassbares folgte.

Das Unerwartete: Die bis dahin absolut, nahezu monarchistisch regierende Merkel wurde in der Flüchtlingsfrage kurzerhand entmachtet. Von ihrer eigenen Partei, ihrem eigenen Innenminister Thomas de Maizière und ihrem wichtigsten Verbündeten, Wolfgang Schäuble. Ohne ihre Zustimmung und ohne sie zu informieren, setzte de Maizière als Innenminister die von Merkel außer Kraft gesetzten Dublin-Regeln wieder in Kraft. Er erntete dafür demonstrative Unterstützung und öffentliche Zustimmung aus der eigenen Partei. Auch von Wolfgang Schäuble. Jenem Schäuble, der sich eben erst im Kampf "Kanzlerin Merkel gegen CSU-Chef Seehofer" samt großen Teilen der Unionsfraktion im Bundestag auf die Seite ihrer Gegner schlug, was die Kanzlerin zu einer ersten, unfreiwilligen Kurskorrektur ihrer Flüchtlingspolitik zwang. Seit diesem Zeitpunkt wirkt die bis dahin unangefochtene Merkel angeschlagen. Mit der bedingungslosen Gefolgschaft ihrer Partei ist es vorerst vorbei, die Unterstützung beginnt zu bröckeln. Als Draufgabe sinken auch noch erstmals seit Jahren die Beliebtsheitswerte der Kanzlerin bei der deutschen Bevölkerung. Rapide.

Das Unfassbare folgte: Mittendrin im Umgestaltungsprozess Europas, aktuell vorrangig ausgedrückt durch den Bau von Stacheldrahtzäunen in Ungarn, Slowenien und auch Österreich, sowie des Beginns einer Zeitenwende in der merkel'schen Mutti-Epoche, in Form erster Ausläufe an innenpolitischen Turbulenzen und Richtungsstreitereien, verüben akkordierte Terrorteams des Islamischen Staates Anschläge an mehreren Orten in Paris. Über 120 Menschen verlieren dabei ihr Leben, viele mehr werden verletzt, erstmals seit dem 2. Weltkrieg ruft Frankreich den Ausnahmezustand aus und es fällt ein Wort, das für diesen Kontinent auszusprechen bis vor kurzem noch als absolut denkunmöglich galt: Krieg. "Wir sind konfrontiert mit Krieg", sagte der französische Staatspräsident Hollande, "einer Armee von Terroristen". Sein Herausforderer als Präsident, Sarkozy, forderte als Reaktion überhaupt gleich den "totalen Krieg" und Papst Franziskus verstieg sich gar zur rhetorischen Frage nach  dem Beginn des Dritten Weltkrieges.

Und nun? Zuerst das Unerwartete, dann das  Unfassbare. Was folgt als nächstes? Niemand weiß es. Diese Ungewissheit ist es auch, gepaart mit einem Grundgefühl, dass wir gerade verdammt gefährliche Stunden und schicksalsträchtige Tage durchleben, an deren Ende unausweichliche politische Entscheidungen und Weichenstellungen auf der Bühne der Weltpolitik stehen, von denen heute noch keiner von uns weiß, wie sie aussehen und viel mehr noch, wohin sie führen werden, was vielen Angst macht. Niemand, der diese Angst nicht verstehen würde, allein sie führt zu nichts!

Vielmehr gefordert, nämlich von jedem von uns, sind erhöhte Aufmerksamkeit, gesellschaftliche Lernfähigkeit, kritisches Denken und Wachsamkeit! Dafür, ob die anstehenden politischen Entscheidungen und Weichenstellungen, tatsächlich auch die richtigen sind. Wachsamkeit etwa, wenn der französische Präsident Hollande in Reaktion auf den Terror von Paris die Verfassung ändern will oder hierzulande der ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka auf Twitter bereits offen von einer nötigen Einschränkung der Bürgerrechte im Kampf gegen den Terrorismus spricht.

Mehr Sicherheit darf nicht auf Kosten von Demokratie und Freiheit gehen!

Auch die aktuelle Kriegs-Rhetorik ist hierfür ein Warnsignal. Vergessen wir etwa nicht, wohin der von den USA nach 9/11 ausgerufene "Krieg gegen Terror" geführt hat. Zum Gegenteil dessen, was sich die westliche Welt erhoffte! Gesellschaftliche Lernfähigkeit wäre aktuell im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise gefragt. Viele, vorrangig von linker Seite, sollten sich endlich eingestehen, dass, bei aller Hilfsbereitschaft, die unkontrollierte und ungeprüfte Aufnahme von hunderttausenden Flüchtlingen die massive Gefahr mit sich bringt, dass im Zuge der Flüchtlingsbewegung auch islamistische Terroristen eingeschleust werden.

Das Sicherheitsrisiko für Deutschland etwa ist dadurch massiv gestiegen. Nicht umsonst warnen die deutschen Behörden in diesem Zusammenhang seit Wochen davor, dass damit die Terror-Gefahr steigt. Die Folgen sind gar nicht auzumalen, sollten islamistische Anschläge wie sie in Paris, London oder Madrid stattgefunden haben, auf deutschem Staatsgebiet passieren. Merkel würde beim aktuell aufgeheizten Klima in Deutschland wohl die Kanzlerschaft verlieren. Zu Recht! Auf dieses mögliche Szenario wollte ich in meinem Blogbeitrag ursprünglich eingehen. Durch die Pariser Terror-Angriffe hat ein solches Szenario tragische Aktualität erlangt, gestiegene Wahrscheinlichkeit inklusive. Und erhöhte Aufmerksamkeit, zum Beispiel für historische Zusammenhänge, wäre in den leidigen Zaun-Debatten gefragt.

Wegen Grenzkontrollen oder Grenzschutzmaßnahmen - Zäune inklusive - das Ende Europas auszurufen, ist, mit Verlaub, dummes Geschwätz. Die Ursprünge der Europäischen Union gehen auf das Jahr 1951 zurück. Das Abkommen aber, dass einen Wegfall der Grenzkontrollen vorsieht ("Schengen-Abkommen";), ist erst seit dem Jahr 1995 in Kraft. Wer also wegen Grenzkontrollen und Grenzschutzmaßnahmen das Ende der EU herauf beschwört, ignoriert über 40 Jahre europäische Einigungs- und Friedensgeschichte! Im Sinne der Fortsetzung dieser europäischen Geschichte wäre statt schwätzen, das Korrigieren von Fehlentwicklungen angebracht! So ist mehr als offensichtlich geworden, dass sowohl "Schengen" als auch "Dublin" in der Praxis nicht funktionieren. Daher gehören diese schleunigst durch neue, bessere Regelwerke ersetzt oder überhaupt ganz abgeschafft. Denn manchmal kann auch ein vermeintlicher Rückschritt in Wahrheit ein Fortschritt sein!

Das alles zeigt: Wir werden Zeitzeugen von Schicksalstagen für Europa und die Welt. Machen wir nicht nur das Beste daraus, sondern tun wir das Notwendige und Richtige!

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