Erster Mai, ich bin so frei. Heute vor einem Jahr war mein erster Tag als freier Mensch in Österreich.

Hört sich drastisch an, oder? Ich meine, Österreich. Voll das liberale, demokratische, freiheitsliebende Land und so. Sklaverei und ein Leben in Unfreiheit gibt’s da nicht. Man kann sich über die Politik beschweren, wie man will, aber generell geht es uns in Österreich sehr gut und kein Mensch ist in seiner Freiheit eingeschränkt.

Und das ist so. Ab dem Tag, an dem deine Wehrpflicht endet.

Vor mittlerweile mehr als zwei Jahren fand die Volksbefragung zur Wehrpflicht statt – eine Befragung, geprägt von Phrasendrescherei, Populismus und Propaganda. Ihr Ergebnis war eindeutig – die alten Menschen des Landes haben entschieden, die Jungen sollten es gefälligst so machen wie sie. Dass die Alten dabei gewusst haben, wie der Grundwehrdienst heute aussieht und wie die militärische Lage in der internationalen Politik ist, wage ich stark zu bezweifeln.

Es war eine populistische Politschlacht, die ich wohl nie so vergessen werde. Denn für mich ging es immerhin um alles – sollte ich ein Jahr meines Lebens verschwenden und später studieren bzw. in den Arbeitsmarkt einsteigen? Sollte ich das Sozialsystem, das mittlerweile von der „Notlösung“ Zivildienst gar nicht so abhängig ist, wie jeder glauben würde, mittragen müssen, weil alte Menschen es von mir verlangten? Es schien so – und schuld daran sind bis heute jene, die falsch oder gar nicht argumentierten.

Dass die neue Position zur Wehrpflicht nicht von Verteidigungsminister Darabos – selber Zivildiener – kam, war offensichtlich, nachdem Michael Häupl mit einem seiner grandiosen Sager mal wieder im Alleingang die Parteilinie änderte. Von ihm wie von Bundeskanzler Faymann hörte man in der Debatte genau nichts an Fakten zum Thema Bundesheer – die Alternative „Freiwilliges Soziales Jahr“ war nicht ausgearbeitet, es gab kein Konzept dahinter, keine Berechnungen. Ähnlich wertvoll die Argumentation der Gegenseitige von ÖVP-Michael Spindelegger. Warum solle der Zivildienst immer noch neun Monate dauern? „Weil es immer schon so war.“

So kam es, dass in einer Debatte, die im ganzen Land völlig falsch geführt wurde – so sie denn stattfand – entschieden wurde, wie ich mein Leben zu leben hatte. Ich habe mich natürlich für den Zivildienst entschieden, weil ich zwar nicht für mich, aber zumindest für irgendjemanden etwas Sinnvolles tun würde. Und trotz vieler wertvoller Erfahrungen und geretteter Leben bleibe ich bis heute dabei, dass dieser Dienst für mich komplette Zeitverschwendung war.

Ich bin kein Rettungssanitäter. Das passt nicht zu meiner Persönlichkeit. Ich bin nicht der Mensch, der sich mit einer alten Dame ins Rettungsauto setzt, eine Stunde lang Schlangenlinien durch das Großarltal fährt und dabei interessiert an ihrer Lebensgeschichte ist. Ich bin auch nicht der Mensch, der es für selbstverständlich hält, um 3:00 Uhr früh müde und hungrig auszurücken, um einem Schlaganfallpatienten das Leben zu retten. Es gibt diese Menschen beim Roten Kreuz, und sie sind verdammt wichtig für unsere Gesellschaft – allerdings weiß der Zuständige Werner Nini, der mich mit den Worten „Ich mag dich nicht, deshalb kommst du nach Schwarzach.“ auf’s Land geschickt hat, immer noch nicht, wie gefährlich diese Entscheidung eigentlich von ihm war.

Wo wir gerade bei der Rettung sind – diese Propaganda von wegen „Donn kummt die Rettung nimma“ ist völliger Bullshit. Warum die Rettung vor allem Zivildiener aufnimmt, liegt daran, dass sie einfach billige Arbeitssklaven sind. Ein Praktikant vom Bundesheer wollte unbedingt weiter im Rettungsdienst arbeiten – ihm wurde aber gesagt, dass er das vergessen könne. Ein Hauptberufler kostet ein Vielfaches von einem Zivildiener, der quasi keine Kosten, keine Rechte und keine Ansprüche hat. Blöd gelaufen für die, die ihren ehrenhaften Traum leben wollen – aber auch für die Menschen in Not, denen man irgendwelche Zivildiener mit vier Wochen Ausbildung schickt, wenn sie einen Herzinfarkt haben. Das ist mehr als einmal vorgekommen am Salzburger Land, wo dieser künstlich geschaffene Personalnotstand besonders hoch ist.

Mittlerweile ist mein Zivildienst vorbei. Ich könnte mich jetzt bequemerweise dem Camp derer anschließen, die meinen „Meine Kinder sollen das auch machen!“. Tu ich aber nicht. Freiheitsentzug ist gegen die Menschenrechte – allerdings nur solange, bis die Wehrpflicht greift. Das ist ein wahnsinniges Problem und ich bin froh, wenn ich höre, dass es andere Länder schaffen, die Wehrpflicht abzuschaffen. Gleichzeitig tut es weh, wenn Litauen sie wieder einführt und wirklich kurz vor einem Krieg steht. Ich kenne nicht das Patentrezept, um das Verteidigungs- und Sozialsystem zu reformieren – aber ich bin immer für die Freiheit. Und gegen die Wehrpflicht. 1. Mai, ein Jahr frei.

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