Wenn man die Performance von Alexander Van der Bellen beobachtet, könnte man meinen, der Wahlkampf sei schon gelaufen.

Schon den gesamten Wahlkampf – spätestens aber nach der Stichwahl – wird Van der Bellen von der österreichischen Linken vorgeworfen, den latenten Rechtsextremismus der FPÖ zu wenig aufzuzeigen. Er sei zu wenig angriffig, wirke professoral-arrogant, wiederhole die Wahlkampf-Fehler der Grünen und gehe zu wenig auf Verteilungsfragen ein. Liberale wiederum kritisieren seinen Schmäh mit der Unabhängigkeit und seine Flip-Flop-Haltung zu Themen wie TTIP.

All das war noch okay. Denn Van der Bellen hat Schmäh. Eine der besten Eigenschaften des ehemaligen Volkswirtschafts-Professors ist sein Hang zur Ironie und zum Humor – das ist in der Politik selten und kann auch im Wahlkampf eine große Rolle spielen. Aber nun scheint auch diese positive Art zu verschwinden und den Tipps der PR-Berater und Spin-Doktoren zu weichen.

Denn Hofer macht NLP.

Und NLP ist böse.

Das böse, böse NLP

NLP („Neuro-linguistisches Programmieren“) fügt sich da übrigens gut in eine Reihe mit Kampfbegriffen wie TTIP ein: Die wenigsten wissen, was es eigentlich ist, aber sind sich sicher, dass es Teufelszeug ist. Während wir bei TTIP den Text noch nicht kennen und nur die momentane Verhandlungsbasis kritisieren können, kennt der durchschnittliche Österreicher NLP nur im Zusammenhang mit dem Wort Manipulation. Und das klingt diabolisch – gerade, wenn es vom bösen Hofer kommt.

Ich habe selbst eine NLP-Ausbildung hinter mir – genauer gesagt den ersten Titel, den Practitioner, abgeschlossen. Und was für ein absoluter Müll unter österreichischen Meinungsführern fabriziert wird, stößt mir wirklich sauer auf. Bis auf einen brauchbaren Artikel im „Falter“, der die rhetorischen Tricks von Norbert Hofer anhand von Einzelbeispielen beleuchtet, war da hauptsächlich Polemik und Verdacht dabei.

Was falsch ist: Dass NLP etwas Verwerfliches ist und Hofer die Zuschauer im Fernsehen zu etwas „zwingt“, das sie gar nicht wollen. Nicht einmal Hypnose wäre so stark, dass sie den eigenen Willen eines Menschen ausschalten kann – und die einfache Sprachmanipulation und Kampfrhetorik, die Hofer betreibt, ist dagegen nicht einmal der Rede wert.

Was richtig ist: NLP hat etwas von Manipulation. Genau wie eigentlich alles, was irgendwie mit Sprache zu tun hat. Jede sprachliche Äußerung – ob verbal oder nonverbal – hat letztlich eine Intention. Dass diese nicht immer direkt geäußert wird, sondern erst ansprechend verpackt werden muss, lernen auch schon Kinder. Wenn Fragen nicht ausreicht, beginnen sie zu weinen, um ihren Willen zu kriegen.

Norbert Hofers Trickkiste

NLP ist also alles andere als verwerflich – zumindest nicht an sich. Hofer gibt an, auch selbst „Rhetorik“-Seminare absolviert und gegeben zu haben. Rhetorik an sich ist allerdings nur ein Teil von NLP und eigentlich eine psychologische Teildisziplin, die vor allem in Richtung Argumentationstraining und Körpersprache geht.

Das zeigt sich auch im Wahlkampf. Hofers Gestik wirkt meist sehr entspannt und gleichzeitig dominierend – die anderen lehnen sich nach vorne, er nach hinten. Der FPÖ-Kandidat setzt seinen Körper geschickt ein, gestikuliert in Einklang mit seiner Tonalität, gibt quasi den Takt vor und schafft ein sehr „professionelles“ Bild von sich. Hofer lächelt, wo andere beleidigt oder eingeschnappt wirken. Auch Van der Bellen ist davor nicht gefeit und rennt ihm direkt in die Falle.

Hofers verbale Tricks sind allerdings leicht zu durchschauen. Sie erinnern fast an das alte Konzept „Frage kurz andeuten, dann die Kurve kratzen und über ein anderes Thema reden“, das auch die minderprofessionellen Politiker Österreichs mittlerweile verinnerlicht haben.

Ein Beispiel: Spricht Van der Bellen von den Vorzügen Europas, kontert Hofer damit, er wolle für „die Österreicher“ da sein, und nicht für „die Ausländer“. Was sich nicht damit ausschließt, die Europäische Union für eine grundsätzlich gute Idee zu halten, wird zum Gegenargument für sie. Anderer Fall: Van der Bellen hat viele Unterstützer aus Politik, Wirtschaft und Promi-Gesellschaft. Hofer allerdings will ein „Kandidat für das Volk“ sein – als ob sich eine Wahlempfehlung von Josef Pröll mit Volksnähe streiten würde. Solche Pseudo-Konter könnte man in der Fachsprache als Reframing bezeichnen – ein neuer Rahmen wird gesetzt, und ein Argument funktioniert plötzlich.

Wie man Hofer kontern könnte

Das alles hat Hofer wunderbar drauf, und damit ist er seinen Konkurrenten weit voraus. Allerdings dürfte das alleine politische Inhalte nicht ersetzen können. Will man ihn schlagen, gilt es nach wie vor, ihn an seinen Schwächen festzunageln und wirklich über fundamentale Richtungsstreits zu reden – Fragen nach Zuwanderung, Europa und Demokratie bieten viel Angriffsfläche und müssen auch gar nicht so plump daherkommen wie bisher im Wahlkampf.

Hält man allerdings daran fest, Hofer mit Kleinigkeiten wie seinem friedlichen Waffenbesitz oder seiner NLP-Ausbildung zu kommen, wird diesem in die Hände gespielt – diese Vorwürfe hat er nämlich schon 100-mal gekontert, und er wird sie auch weiterhin souverän meistern. Und sich freuen, dass es in diesem Wahlkampf niemand ein Rezept gegen ihn findet.

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Thomas Fuchs

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pirandello

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