Am 13. November war ich mit meinen Freunden im Casino, um einen Geburtstag zu feiern. Ein schöner Abend, der später noch sehr schlimm für mich werden sollte – denn am Heimweg bekam ich schon die Live-Berichterstattung um die Ereignisse in Paris mit. Von einer glücklichen Sekunde auf die andere musste ich meinen Freunden erklären, dass die Terroristen einen Menschen nach dem anderen umbringen. Und mein erster Gedanke war: Scheiße. Das war’s mit meiner Freiheit.
Denn es war klar, was der erste Reflex war. Wie immer rufen die regierenden Politiker nach immer mehr Überwachung – als ob das jemals etwas gebracht hätte. Natürlich ist Überwachung für Regierungen und Geheimdienste eine praktische Sache, mehr Möglichkeiten erleichtern den Job immerhin ungemein. Nur leider spricht einfach so ziemlich alles dagegen, jetzt den Überwachungsstaat aufzubauen. Mit der Vorratsdatenspeicherung und mit dem Polizeilichen Staatsschutzgesetz (PStSG) kommt allerdings genau das auf uns zu.
Die Vorratsdatenspeicherung ist verfassungswidrig
Für die, die es nicht mitbekommen haben – die Vorratsdatenspeicherung, also die Maßnahme, dass man all unsere Daten jahrelang speichern darf, gab es schon mal. Im April 2012 wurde sie in Österreich eingeführt, 2014 vom Europäischen Gerichtshof gekippt. In der Begründung des Gerichtshofes heißt es, dass auch ohne das Abhören von Gesprächsinhalten „sehr genaue Rückschlüsse“ über unser aller Privatleben getroffen werden könnten. Das zeigt übrigens auch der Fall Malte Spitz – der deutsche Grün-Politiker hat seine Vorratsdaten erfragen lassen und konnte damit ein sehr genaues Bewegungsprofil erstellen.
Aber wie das immer so ist mit europäischem Recht. Wenn der EuGH sagt „Das ist Gesetz“, sagt Österreich „Ich akzeptiere die Herausforderung“. So musste auch der heimische Verfassungsgerichtshof einschreiten, um auf nationaler Ebene festzuhalten, dass die Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig ist. Sie stelle einen „gravierenden Eingriff in die Grundrechte“ dar. Ich glaube nicht, dass sich die Verfassung im letzten Jahr geändert hat und diese Überwachungsmaßnahme plötzlich legitim ist.
Überwachungsmaßnahmen stellen alle Menschen unter Generalverdacht
Wie der Fall Spitz zeigt, kann man mit Vorratsdaten so einiges anfangen. Und das Problem ist, dass diese Bewegungsprofile von jedem von uns erstellt werden können. Wenn es dabei zu „verdächtigen Handlungen“ oder „außergewöhnlichen Bewegungsprofilen“ kommt, kann man schnell unter Verdacht geraten, ohne wirklich etwas verbrochen oder auch nur geplant zu haben.
Je mehr Daten, desto weniger lässt sich mit ihnen anfangen
Die ganze Geschichte um die neuen Überwachungsmaßnahmen erinnern mich irgendwie an den neuen James Bond-Film. Auch da will ein komischer Kauz den Überwachungsstaat aufbauen – allerdings auf weltweitem Niveau – und „Agenten“ wie 007 ersetzen. Was sich als Scheißidee rausstellt, da Daten niemals die Arbeit von echten Menschen erledigen können – mehr wird an dieser Stelle nicht gespoilert.
Und es ist wirklich so, dass sich mit vielen Daten wenig anfangen lässt. Nicht nur, dass ich vor allem der österreichischen Regierung nicht zutraue, etwas Sinnvolles damit anzufangen: Auch den „Profis“ von der NSA passieren immer wieder „Glücksfälle“, was Überwachung angeht. Zum Beispiel, als sie durch reinen Zufall die Daten eines wichtigen Managers von Venezuelas staatlicher Ölfirma gefunden haben. Die Daten lagen so rum – in einem Sauhaufen aus Daten von unbescholtenen Bürgern, die kein Mensch braucht.
Terroristen sind schlauer als jede Überwachung
„Wir brauchen diese Instrumente im Kampf gegen die Terroristen“, meinte Mikl-Leitner. Ein Totschlagargument, mit dem man alles oben genannte entkräften kann – denn wer findet schon Terroristen gut? Man kann die doch nicht gewinnen lassen!
Das Problem ist, dass die Überwachungsmaßnahmen wenig bis gar nichts gegen Terrorismus ausrichten können. Frankreich hat die Vorratsdatenspeicherung seit 2006 und wurde dieses Jahr gleich zweimal Opfer von Anschlägen. Auch die USA, die Überwachung auf ein neues Level gebracht haben, konnten den Anschlag beim Boston Marathon nicht verhindern.
Aber auch der Amoklauf in Kopenhagen im Frühjahr, der Anschlag auf das kanadische Parlament im letzten Jahr und der Angriff auf das jüdische Museum in Belgien. Alle haben sie eines gemeinsam: Die Täter waren den Behörden bereits bekannt und konnten trotz Überwachung nicht gestoppt werden.
Fazit? Wir haben verloren.
Es ist genau wie mit den Flughäfen – ich kann keinen Rasierer ins Handgepäck mitnehmen und brauche eine halbe Stunde länger ins Flugzeug, und trotzdem können Terroristen die Leute in den Tod reißen. Die Regierungen und Geheimdienste des Westens bauen sich immer größere Überwachungsapparate auf, ohne Terrorismus wirksam verhindern zu können. Der große Verlierer sind wir alle – denn die von uns ohne Fachkenntnisse müssen sich damit abfinden, dass uns jederzeit jemand zuschauen kann. Und dass uns das einen Scheiß bringt. Ich glaube, die Terroristen haben gewonnen.
-----------------
Dieser Beitrag ist Teil einer Pro/Contra-Diskussion. Den Pro-Artikel von Christoph Aufreiter könnt ihr hierlesen.