Multikulti-Kritik, von mir aus. Nicht alles ist gut und das wird es vermutlich nie sein. Aber extrem dumme Aussagen mit "Das wird man wohl noch sagen dürfen" zu unterstreichen, macht sie auch nicht besser.
Gestern lief das ORF-Bürgerforum zum Thema "Angst vor dem Terror - das Ende von Multikulti?". Zu Gast waren Grünen-Chefin Eva Glawischnig, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer - warum Faymann nicht persönlich erschienen ist, sei dahingestellt.
Im Großen und Ganzen zeichnete die Sendung ein meiner Meinung nach recht authentisches Bild der momentanen Zustände in der Gesellschaft. Ältere Damen und Herren, die Angst vor fremden Kulturen haben. Junge, integrierte Muslime, die sich plötzlich ihren Bart abschneiden, um nicht mehr verdächtigt zu werden. Und irgendwo auch eine Spaltung der Gesellschaft - die Eindrücke der Reportage aus meinem Heimatbezirk Favoriten kann ich bestätigen.
Brisant waren die Meinungsumfragen, die von der Bürgerforum-Redaktion präsentiert wurden - so meinen 75 % aller (befragten) Österreicher, die Integrationspolitik Österreichs sei verfehlt. Nun kann man das vermutlich sogar unterschreiben - schon in den 70er-Jahren begann der verfehlte Kurs der Fremdenrechtsverschärfungen. Die "Gastarbeiter" wurden plötzlich nicht mehr gebraucht - es wurde ihnen erschwert, von zuhause nach Österreich zurückzukehren. Dadurch kam es zu vermehrten Zuzügen aus anderen Ländern. Seitdem erleben wir regelmäßige Verschärfungen des Asylrechts in einem Einwanderungsland, das nie ein solches sein wollte.
Angeheizt wird dieser Trend noch durch einen teilweise hetzenden Boulevard (wer sich angesprochen fühlt, hat wohl Grund dazu) und die dauerhafte Präsenz der FPÖ in der Asyldebatte. So konnte sich nie eine Art Willkommenskultur etablieren - einen konstruktiven Umgang mit Flüchtlingen und anderen Zuwanderern kennt man in Österreich nicht. Lieber wird stigmatisiert: "Die bösen Ausländer. Grenzen zu. Alles schlecht seit der EU." (das war ein Reim - bitte nicht am nächsten Wahlplakat verwenden, liebe FPÖ)
Und heute in eben dem Boulevard, der gestern noch in der Sendung für die betriebene Hetze kritisiert wurde, kommentieren die User die Umfrage von gestern. Da steht "75 Prozent meinen, dass die Politik 'die Problematik bei muslimischen Einwanderern' zu spät erkannt habe." Die Kommentare sind - wie immer, möchte man in Bezug auf einige Medien fast sagen - sehr einseitig.
Der Top-Kommentar gehört Carina F., die meint: "Was ist daran bedenklich? Bedenklich find ich eher, dass man in österreich oft nicht mehr seine meinung sagen darf, ohne dass man sofort in eine ecke gestellt wird."
Maximilian L.: "Bedenklich ist es, das man aus einem islamischen Land "flüchtet" um ein christliches Land zu islamisieren. Sich dann noch in Politik und Kultur einmischt, Namen und Produkte ändern lässt - weil man sich ja so angegriffen fühlt, und dann noch jeden alsnazi beschimpft der das nicht akzeptieren will! Soviel wird geändert und verboten aber ständig kommen neue Ansprüche, das finde ich bedenklich! Wo soll das enden? Kein Kreuz in den Schulen, kein Schwein in einer Auslage, kein Nikolo?! Wer solche Ansprüche hat, dem kann es nicht so schlecht gehen."
Manuel D.:"im geheimen, weil ma in österreich tatsachen nicht mehr aussprechen darf!"
Jasmin R.:"Ja das schlimme ist das die ja bei uns fast mehr Rechte haben als wir Österreicher"
Thomas Austria: "muslime - katholiken hat noch nie funktioniert und wird auch nie funktionieren"
Inwiefern Flüchtlinge mehr Rechte haben als Staatsbürger, würde mich genauso interessieren wie die Begründung hinter dem letzten Kommentar. Dies waren nur einige Beispiele, die meiner Meinung nach für eine Moderation der Kommentarsektionen sprechen - aber sogar "Heil Hitler"-Kommentare wurden bei "Heute" und "Österreich" schon stehen gelassen.
Und die grundlegende Aussage dieser gewissen Bevölkerungsgruppe, die in den Kommentarsektionen des Boulevards ihr Unwesen treibt und auch bei themenfernen Artikeln "gegen Ausländer" ist, bleibt immer folgende: "Das wird man wohl noch sagen dürfen".
Das ist ganz richtig. Und die Boulevardzeitungen sollten auch nicht einen Meinungszwang einführen und multikulti-kritische Aussagen einfach löschen. Aber wenn eure Meinung ist, dass Menschen, die aus einem Kriegsgebietflüchten, um hier ein friedliches Leben zu finden, automatisch und immer Verbrecher sind allein aufgrund der Tatsache, dass sie zufällig an einem anderen geografischen Punkt der Erde geboren wurden … wenn ihr das wirklich glaubt, dann dürft ihr eure Meinung zwar sagen, aber sie ist und bleibt realitätsfern und bescheuert.