Zuerst sei gesagt: Ja, ich habe mich auf dieser Seite schon über den teilweise mangelhaften Informationswert in österreichischen Diskussionssendungen ausgelassen. Und ja, ich schaue sie natürlich trotzdem immer noch. Irgendwas zwischen politischem Interesse, „mitreden wollen“ und gesundem Masochismus bringen mich dazu, mich immer wieder auf die unsägliche österreichische Diskussionskultur zwischen Langeweile und Kindergarten einzulassen.
Die letzten Tage waren daher besonders schlimm. Zweimal Diskussionen, zweimal Marcus Franz, zweimal wurden konservative Meinungen betont. Fair enough: Ich kenne den Herrn Franz durch Twitter und unsere ständigen Diskussionen recht gut und unterstelle ihm weder, ein völliger Idiot zu sein, noch, dass er jemandem wirklich etwas Böses will. Wie bei den meisten Politikern gehe ich davon aus, dass er das alles sehr gut meint.
Trotzdem ist Franz immer wieder Opfer von Shitstorms. Beim ersten war ich aktiv dabei – ich meine, wer twittert denn sowas?
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In der ersten Diskussionssendung, „Im Zentrum“ mit Ingrid Thurnher, ging es noch um strafrechtliche Situationen. Dabei vermutete nicht nur Franz, dass die neue Vorlage zu sexueller Belästigung – wenn eine Berührung unerwünscht ist, ist sie eben zu unterlassen – einen Pauschalverdacht gegen Männer schüren würde. Dabei wurde eines nicht angesprochen: Wie realistisch ist es denn, dass jetzt jede Frau nach einer unerwünschten Berührung zum Anwalt rennt und sich ins Fäustchen lacht, weil da jetzt jemand eingesperrt wird? Das ist zumindest das Bild, das die Gegner der neuen Vorlage zeichnen. Und ich halte es für sehr weit hergeholt.
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In der zweiten Diskussionssendung, „Pro und Contra“ mit Corinna Milborn, ging es schon wilder zu. Ich hatte das Glück, im Studio sein zu dürfen und die Reaktionen einiger meiner Mitstudenten mitzukriegen. Habt ihr eine Vorstellung, wie (traditionell eher linksliberale) Politikwissenschaftsstudenten reagieren, wenn sie den Franz reden hören? Die Blicke sind einfach unbezahlbar.
Der Stil der Diskussionssendung war ein ganz tiefer. Ich bin genauso wenig einer Meinung mit Franz wie seine Kontrahentin in der Diskussion, Jutta Ditfurth. Und generell wollte ich ja eher auf ihrer Seite sein – ihr bodenlos tiefer Stil machte das allerdings unmöglich. Wo sind wir in Österreich, dass wir in einer Diskussionssendung „Halten Sie die Klappe“ auf Einwände bringen und „Beleidige mich nicht“ sagen, wenn man auf Gemeinsamkeiten angesprochen wird? Es folgten natürlich andere Stilblüten, auch von Marcus Franz. Feminismus käme ja nur von hässlichen Frauen und die Ditfurth wünsche er sich an den Herd.
Ich durfte übrigens auch das erste Mal selber eine Frage stellen. Und zwar wollte ich Franz auf seinen Widerspruch aufmerksam machen. Er meinte zuerst, dass immer nur Frauen anderen Frauen vorschreiben, wie sie zu leben hätten. Selbst aber findet er, jede Frau sollte Kinder kriegen und Abtreibung gehöre verboten. Auf die Frage, wie das zusammenpasse, meinte er ausweichend, das sei eine Privatmeinung. Aber die Privatmeinungen von Politikern sind immer politisch – als Politiker beteiligt man sich in der Regel an der Gesetzgebung. Und in einer Gesellschaft mit Abtreibungsverbot und – polemisch gesagt – Gebärpflicht möchte ich nicht leben. Aber das Thema hatte ich schon mal.
Fazit
Zwei Tage Diskussionen, zwei Tage Beschwerde darüber, dass der Franz überhaupt auftreten darf. Aber im Wesentlichen hat sich nichts geändert – da gibt es Menschen, die sich als Vertreter der „stillen Mehrheit“ sehen und konservative Werte unter dem Banner der Meinungsfreiheit vertreten. Und das ist schön und gut. Sie müssen sich nicht dafür rechtfertigen, eine Meinung zu haben – sie müssen sich aber durchaus Kritik gefallen lassen und tun das auch.
Fakt ist, dass sexuelle Belästigung dann passiert, wenn ein Opfer das so sieht – und man kann ihm die Möglichkeit geben, das vor Gericht zu bringen, ohne gleich alle Männer (Frauen übrigens auch, ja?) zu Tätern zu machen. Fakt ist, dass die Töchter zwecks Gleichstellung in der Hymne sind und es nicht bestraft wird, die „Schulversion“ zu singen. Und Fakt ist, dass wir in einer vielfältigen Gesellschaft leben – egal, ob das jemand so sehen möchte oder nicht.
Auch, wenn mir Marcus Franz wegen dem Stil seiner Kontrahentin fast schon leidgetan hat, verweise ich auf meine Aussage im letzten Artikel: Konservative Meinungen wie die von ihm, Gabalier usw. sind nur ein schwaches Momentum der Gesellschaft. Sie stellen weder eine Bedrohung für unsere Gesellschaft dar, noch sind sie in der Position, Gesellschaftspolitik mitzuprägen. Und sie werden früher oder später aussterben und dem gesellschaftlichen Fortschritt – und ich halte Diversität durchaus für einen solchen – nicht standhalten können.
P. S.: Marcus, falls du das liest, kannst du ja gerne eine Gegendarstellung schreiben!