Die künstliche Aufregung um Wiener Neustadt

Es gibt Themen, die zurecht aufregen, und Themen, die es nicht tun. Der Vorwurf, die Grünen verlieren ihre Glaubwürdigkeit, da sie in Wiener Neustadt mit der FPÖ zusammenarbeiten, fällt ganz sicher in die zweite Kategorie.

Was ist in Wiener Neustadt passiert? Nach den Gemeinderatswahlen verlor die SPÖ ihre absolute Mehrheit. Sie hat zwar mit 17 Mandaten immer noch die meisten Mandate, wurde allerdings zum wiederholten Mal abgestraft - zuvor genoss sie 70 Jahre die Absolute. Klaus Schneeberger von der ÖVP ist mit dem Versprechen angetreten, die städtischen Schulden in den Griff zu bekommen. Er genießt die Unterstützung der anderen Oppositionsparteien, auch die Grünen haben dem Budget zugestimmt und ein Programm für Verkehrs- und Umweltpolitik beschlossen.

ÖVP-Schneeberger wird Bürgermeister, sein Vize wird wohl ein Parteifreund. Der zweite Vize steht der SPÖ zu. Die FPÖ wird wohl zwei Stadträte stellen und arbeiten mit der ÖVP gemeinsam an Sofortmaßnahmen zur Budgetsanierung. Desweiteren werden die Grünen den Kontrollausschuss besetzen. Mit den Bürgerlisten zusammen sind nun außer der SPÖ alle irgendwie in der Stadt beteiligt.

Und das alles macht die Aufregung schon aus. Denn irgendwie sitzen nun die FPÖ und die Grünen im selben Boot und arbeiten zusammen. Dabei ist es nichtmal so, dass sie in einer Koalition stecken - Schneeberger selbst betont das "freie Spiel der Kräfte" und meint, das sei die "demokratiepolitisch beste Lösung".

In der österreichischen Twitteria war das natürlich ein Skandal. Einige Grüne bemühten sich dabei sofort, sich von der FPÖ abzugrenzen und zu betonen, lediglich mit der ÖVP zusammenzuarbeiten. Dass die FPÖ nicht immer ein Haufen Rechtsradikaler sein muss, wurde von relativ wenigen angemerkt.

Was macht es eigentlich so außergewöhnlich, dass die Grünen und die FPÖ politisch zusammenarbeiten? Ihre ständige Abgrenzung im politischen Spektrum. Auf der einen Seite die pauschal Rechtsextremen, auf der anderen Seite die pauschal Linksextremen. Ausländerfeinde gegen Multikulti-Fetischisten. Die Asyldebatte, die durch IS und Charlie Hebdo nur noch verstärkt wurde, hat diese Gräben nur vertieft.

Jedoch durfte ich auch schon persönlich die Erfahrung machen, dass in der FPÖ nicht nur Rechte sitzen. Gerade auf der Gemeindeebene sitzen oft engagierte Menschen, denen man ein rechtsextremes Gedankengut niemals zutrauen würde. Menschen, die - und das darf man hoffentlich den meisten Politikern unterstellen - einfach das Beste für ihre Gemeinde wollen, ohne Populismus zu brauchen. Und selbst wenn man ein pauschal rechtes Gedankengut unterstellen wollte - Abschiebungen auf Gemeindeebene sind wohl trotz FPÖ nicht zu erwarten.

Im Grunde ist diese ganze Aufregung um Grün und Blau in Wiener Neustadt symptomatisch - ideologische Konflikte verunmöglichen konstruktive Zusammenarbeit. Diese gibt es übrigens auch im Nationalrat - als Grüne, FPÖ, Team Stronach und Neos gemeinsam den Hypo-U-Ausschuss forderten (und damit Erfolg hatten), gab es auch keine künstliche Aufregung von beiden Seiten. Wiener Neustadt hat also nichts mit der Unglaubwürdigkeit von grün oder blau zu tun, sondern zeigt, wie es gehen kann.

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Herbert Erregger

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