Die Ereignisse dieser Woche waren viel zu schnell. Am Montag noch demonstrierten über 20.000 Menschen auf der Mariahilfer Straße für gerechte Behandlung von Flüchtlingen. Zeitgleich halfen überwältigend viele Freiwillige, die von Ungarn kommenden Flüchtlinge zu versorgen und ihnen auf der Reise nach Deutschland zu helfen. Auch die ÖBB haben sich hier von ihrer besten Seite gezeigt, gratis Wasserflaschen ausgeteilt und jeden mit gültigem Ticket weiterreisen lassen.

Nach diesem Funken Menschlichkeit und der kurzfristigen Aussetzung der Dublin-III-Verordnung, wonach jeder Flüchtling im ersten betretenen EU-Land „abgewickelt“ werden muss, reagierte Ungarn wie gewohnt mit repressiven Maßnahmen. Den Asylwerbern in Budapest ist der Zutritt in den Bahnhof untersagt, sie bekommen kaum Verpflegung und werden mittels falschen Zügen in Lager gebracht. Und das in einem Land, in dem auf den Zügen „seit 25 Jahren ohne Grenzen“ steht und das selbst eine Geschichte der Flüchtlingsströme und Zäune hinter sich hat.

Die Rechtslage zum Autokonvoi

Aufgrund der unmenschlichen Zustände in Budapest taten sich mehrere Leute zusammen, einen „Konvoi“ an Privatpersonen zu bilden, um Flüchtlinge persönlich mit dem Auto über die Grenze zu bringen. Dies sollte gestern, Freitag, stattfinden. Wie zu erwarten, hat von einer öffentlichen Aktion auch die Regierung etwas mitbekommen – und das Innenministerium hat in einer Aussendung darauf aufmerksam gemacht, dass eine Beteiligung am Konvoi strafbar wäre.

Dabei verweisen sie auf § 120 des Fremdenpolizeigesetzes „Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt“. In Absatz 3 dieses Gesetzes steht, Hilfe für „unrechtmäßige Einreise“ oder ebendiesen Aufenthalt, stehe unter Strafe. Genauer gesagt handelt es sich um eine Verwaltungsübertretung und Geldstrafe – sollte diese (1000-5000 €) nicht einzureichen sein – und erst dann – droht Gefängnis.

Ausgenommen von diesem Verwaltungsdelikt wird allerdings Einreisehilfe für Familienmitglieder wie Gatten, Kinder und Partner. Das kann immer noch Abschiebung bedeuten, sofern man an der Grenze kontrolliert wird, hat aber für die Privatperson nichts mehr zu bedeuten. Unklar ist das Gesetz, was das Mitnehmen von Autostoppern angeht – man selber muss ja nicht unbedingt wissen, dass es sich um einen Syrer handelt. In einem solchen Szenario wird von Fall zu Fall entschieden.

Zumindest laut österreichischem Recht – denn in Ungarn wurden, wie das Innenministerium festhält, schon Personen festgenommen. Und da das Innenministerium von der öffentlichen Aktion „Konvoi Budapest Wien – Schienenersatzverkehr für Flüchtlinge“ Wind bekommen hat, wurde natürlich reagiert. Und zwar mit einer Vertagung. Einer immer – noch – öffentlichen – Vertagung.

Wollt ihr als Glaubenskrieger scheitern?

Währenddessen hat sich der linke Journalist Robert Misik ganz ohne öffentliche Ankündigung dazu entschlossen, selbst Flüchtlinge über die Grenze zu schmuggeln. Erst danach machte er diese Aktion in der „Zeit“ publik. Was prompt eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien setzte – und zwar von Markus Ripfl, seines Zeichens Obmann des Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) Gänserndorf.

Misik hat es richtig gemacht. Er hat seine Aktion zwar öffentlich gemacht – aber erst danach. Ihm konnte niemand direkt reinpfuschen, weil niemand wusste, dass er unterwegs war. Anders als bei Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger, „VICE“-Journalistin Hanna Herbst und „Wien Anders“-Spitzenkandidatin  Juliana Okropiridse, die bei dem Facebook-Event am Sonntag ihre Teilnahme zugesagt haben.

Ich verstehe es ja. Man will Anerkennung für das, was man tut. Was ist ein Beitrag zur Flüchtlingsdebatte wert – ob geschrieben oder real – wenn man dafür nicht zumindest ein paar Likes bekommt? Bestätigung um jeden Preis. Schaut her, wie solidarisch ich bin. Und Hilfe ist wichtig und richtig, egal aus welchen Motiven. Aber im Voraus schon mit seinem Anliegen zu prahlen und gleichzeitig zu riskieren, deshalb eine Strafe zu kassieren, ist einfach nur unklug.

Ihr könnt euch entweder nach Budapest begeben und euch mit anderen vernetzen, um die beste Route zu wählen – um einem Flüchtling eine Chance zu geben, die gegen das Gesetz ist. Oder ihr könnt es im Vorhinein ankündigen und geschnappt werden – dann habt ihr niemandem geholfen, seid aber die Märtyrer. Eure Entscheidung.

Edit: Aufgrund der Ereignisse von heute Nacht halte ich den Autokonvoi vorerst ohnehin nicht für notwendig. Flüchtlinge wurden mit Bussen nach Österreich gebracht und warten an den Bahnhöfen auf ihre Weiterfahrt nach Deutschland. Wer sich nützlich machen will, kann vorerst auch dort ganz legal helfen.

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Veronika Fischer

Veronika Fischer bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:13

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:13

4 Kommentare

Mehr von Stefan Schett