Es ist also entschieden. Ein weiteres Kapitel der Griechenland-Krise schließt sich, als Alexis Tsipras seine Versprechen bricht, seine Werte verrät und den Sparkurs weiterführt, dem er selbst so sehr den Kampf angesagt hatte. Dafür muss sich der griechische Premier von seiner eigenen Partei entfernen und mit denen zusammenarbeiten, die seinen ureigenen Anliegen entgegenstehen.

Das alles ist einfach nur tragisch. Sparpolitik hat Griechenland seit Beginn der Krise nichts gebracht – außer höhere Arbeitslosigkeit, Selbstmorde, Unruhen und soziale Unsicherheit. Hierzulande bringt sie vor allem Schlagzeilen, diesmal würde es in Griechenland wirklich um alles gehen. Das humanitäre Desaster im Süden verkommt zur Serie beiläufiger Erwähnungen – die Hintergründe gehen längst am durchschnittlichen Medienkonsumenten vorbei.

Einige argumentieren dagegen. Sparen mache in Griechenland nur Sinn, weil das Land jahrelang „über seine Verhältnisse gelebt habe“. Selbst wenn, könnte man jedoch gleichzeitig die Ansicht vertreten, dass man die griechische Wirtschaft möglichst nicht auf dem Rücken der breiten Masse des griechischen Volkes reformieren sollte. Korruption, ein unzureichendes Steuersystem, privilegierte Gruppen, ineffiziente Apparate – all das gibt es in Griechenland. Allerdings kann die Antwort darauf nicht sein, die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel zu erhöhen.

„Was Griechenland braucht sind echte Reformen“ – das wäre viel zu ausgelutscht, um noch ernsthaft als Lösungsansatz zu gelten. Was diese „echten Reformen“ denn nun sind, liegt im Auge des Betrachters. Wie man die Fortsetzung des griechischen Pakets auch beurteilen mag – wichtig ist nicht nur der Schaden, den das griechische Volk davonträgt, sondern auch der Schaden am europäischen Projekt.

Das Aus für Europa?

Ich stelle die Behauptung in den Raum, die EU basiert auf Werten. Diese Werte sind nie genau definiert, aber alle wissen, dass sie da sind. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit fallen einem dazu ein. Mir fällt dazu auch noch „Solidarität“ ein. Der Grundgedanke hinter einer Wirtschafts- und Währungsunion ist, das alle profitieren und man sich gegenseitig trotz (oder gerade durch) Wettbewerb unterstützen kann.

Nun haben wir allerdings den Präzedenzfall, der das Gegenteil beweist. Wenn es dir schlecht geht und du zu schwach für Europa bist, dann wirst du von Europa beherrscht. Oder du bist raus.

Die Vorkommnisse um die Verhandlungen zwischen Griechenland und den „Vertretern Europas“ zeigen genau das, was eigentlich von rechter Seite immer beklagt wird – einen immensen Verlust in der Souveränität eines Landes. Ein Volk hat eine Anti-Sparkurs-Partei gewählt, ein Anti-Sparkurs-Referendum geführt und was bekommt es? Einen Sparkurs. Der viele echte Probleme unangetastet lässt, aber in einem theoretischen Modell des Kapitalismus funktionieren muss.

Ein Grexit wäre ein ähnliches Szenario gewesen. Allerdings gilt auch bei einem von außen erzwungenen politischen Kurs – wenn die EU sich herausnimmt, „Aufwiegler“ hin- und herzuschubsen und zum (deutschen) Einheitskurs zu verpflichten, kann man das Projekt auch gleich begraben. Denn ein Europa der Vielfalt sieht anders aus. Und wozu wurden die zahlreichen undurchsichtigen Institutionen Europas geschaffen, wenn nicht für die Erhaltung von Vielfalt und die adäquate Vertretung nationaler Interessen?

Ich bin für gewöhnlich kein Mensch, der mit nationalen Interessen argumentiert. Wenn allerdings die Souveränität eines Staates in einer EU verloren geht, die noch kein Bundesstaat ist und auch nicht ansatzweise den Anspruch erhebt, dies zu sein, dann kann das nur nach hinten losgehen.

Der Fall Griechenland definiert möglicherweise die Spielregeln, an denen die EU zugrunde gehen wird – macht, wie diktiert, oder macht euren Scheiß allein. Das könnte auch einen Brexit und andere linke wie rechte Bewegungen in den Nationalstaaten beflügeln. Wenn Europas System der Scheinverhandlungen und der Autoritäten von Oben sich nicht ändert, befürchte auch ich als EU-Liebhaber: So hat das keine Zukunft.

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Unplugged 1-Stein

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