Unser werter Herr Bundeskanzler, Werner Faymann, meldet sich ja nur äußerst selten außerhalb des Boulevards zu Wort. In der ZIB2 war er kürzlich das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit zu Gast - und das nicht mal im Studio. Und da war er trotz mehrmaligem Nachfragen nicht imstande, "Der Islam gehört zu Österreich" zu sagen. Jüngst traute sich der oft als "Schweigekanzler" bezeichnete SPÖ-Chef wieder, dem "Kurier" ein Interview zu geben.
Anders als im Boulevard - und mal ehrlich, ich frage mich oft, ob diese "Sagen, was man hören will"-Interviews in "Österreich" und "Heute" überhaupt stattfinden - wirkte dies wieder nach dem gewohnten Werner Faymann, der sehr viele schöne Botschaften aussendet, aber unglaubwürdig bleibt.
Er positionierte sich eher aufseiten Alexis Tsipras' und kritisierte die "verspätete" Krisenpolitik von Angela Merkel. Er schloss eine militärische Lösung in der Ukraine vorerst aus. Er sprach sich für Kampf gegen Steuerbetrug und Arbeitslosigkeit aus - und für eine Bildungs- und Verwaltungsreform. Man beachte, dass das von einem Politiker kommt, der seit 2008 Regierungschef ist.
Faymann mag sich rar gegenüber so manchem Qualitätsmedium machen, aber man kann kaum übersehen, wie unglaubwürdig er mittlerweile geworden ist. Jener Kanzler, der 2008 "Genug gestritten" plakatiert und 2013 "Arbeit" und "Bildung" versprochen hatte, fordert nun Reformen ein. Als ob jemand ganz anderes dafür zuständig wäre!
Der ÖVP alleine kann man den österreichischen Reformstau sicher nicht anhängen. Denn Sozial- und Bildungsressort sind seit 2008 in der Hand der SPÖ. Was sich geändert hat, ist eine Zentralmatura, die Proteste auslöst und schlecht funktioniert. Und eine Rekordarbeitslosigkeit, obwohl viele Lehrstellen frei wären.
Außerdem meinte Faymann, eine Einigung der SPÖ auf eine gemeinsame Integrations-Linie werde es erst nach der Wien-Wahl geben - in Wahlkämpfen dominiere kein konstruktiver Diskurs. Das würde allerdings voraussetzen, dass es diesen Diskurs irgendwann gegeben hätte. Denn irgendwo in Österreich sind immer Wahlen - und der Trend, dass sich die roten Landeshauptleute von Faymann distanzieren und den Rechten anbiedern wollen, wird sich wohl halten. Zurecht stand im "Kurier", das beleidige die Bürger.
Zeitnah mit dem Interview erschien im "Standard" eine Umfrage, die Mitterlehner einen immensen Vorsprung auf Werner Faymann in der Kanzlerfrage attestierte. Dieser hielt sich mit einem Prozent vor Strache und Glawischnig (ex aequo). Das lässt nicht weiter verwundern - durch Obmanndebatten, Rechtsruck in den Ländern und lächerliche Wortmeldungen des Kanzlers steht die SPÖ so schlecht da wie selten zuvor. Sich neben Spindelegger zu präsentieren, war da eben noch erheblich leichter.
Die einzige Möglichkeit, Faymann und die SPÖ noch zu retten, wäre, zumindest ein paar von Faymanns Forderungen in die Tat umzusetzen. Trotz sechs Jahren SPÖ-Bildungsressort wird weiterhin nur um die Gesamtschule gestritten, ohne an einen Mehrwert für Schüler und Lehrer zu denken. Trotz schöner Worte steigt die Arbeitslosigkeit. Die Kaufkraft sinkt durch wahnsinnig hohe Steuern und kalte Progression. Und dann spielt Faymann in der Zeitung den Oppositionspolitiker, der Forderungen stellen darf, für die er selbst nicht verantwortlich ist. Dieser Bundeskanzler ist eine Farce. Und ich befürchte, daran wird sich nichts ändern.