„Ich mag verdammen, was du sagst. Aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Dieser Voltaire zugesprochene Satz ist zeitlos und das Symbol einer liberalen, aufgeklärten Gesellschaftsform. Und er ist gerade heute besonders aktuell.

Denn die freie Meinungsäußerung ist, zum ersten Mal in meinem Leben, wieder zum „umstrittenen“ Thema geworden. Der Konsens scheint nicht mehr zu sein, dass jeder Mensch die Meinungs- und Gedankenfreiheit genießt – denn es ist eine Diskussion darüber ausgebrannt, wann, für wen und ob sie überhaupt gilt.

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Aktuell äußert sich das durch die Debatten um „Fake News“, die faktisch falsche Meinungen unterstützen und den politischen Diskurs der Demokratie unterwandern können. Das ist eines der heikleren Aspekte der freien Meinungsäußerung. Gleichzeitig fordert aber der österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Möglichkeit, Demonstrationen im Vorhinein verbieten zu können. Eine Maßnahme, die vor allem seine Kritiker treffen würde.

Die Forderung des Innenministers kam kurz vor den alljährlichen Protesten gegen den „Akademikerball“, der von der FPÖ Wien ausgerichtet wird und der als rechtsextremes Vernetzungstreffen gilt. Da er in der Hofburg, also in einer öffentlichen Einrichtung abgehalten wird, ist der Protest der österreichischen Linken jedes Jahr groß. In der Vergangenheit kam es zu Sachbeschädigungen und anderen Delikten – dieses Jahr blieb allerdings alles ruhig.

Damit kann man auf mehrere Arten umgehen. Die Sobotka-Variante, Demonstrationen im Voraus zu verbieten, erinnert eher an autokratische Systeme als ans Europa des 21. Jahrhunderts – vor allem bei einer Demonstration, die Gewalt nicht zum Ziel hat. Hochumstritten war auch schon das Verbot der NPD-Demo zu Silvester in Deutschland, bei der rassistische Gewalt quasi angekündigt wurde. Aber Linke, die vor der Hofburg „Nazis raus“ schreien? Ist das die Gewalt, vor der sich der Staat fürchtet? Oder doch eher „menschlicher Kot“, wegen dem der Innenminister von Überwachung so überzeugt ist?

Fundstück von Twitter

Es gibt andere Möglichkeiten dagegen. Zivilisiertere Möglichkeiten. Und die zivilisierteste ist es wohl, anderen ihre Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu lassen. Wenn mir nicht gefällt, was die Linken denken, kann ich – sowohl im Schutz der Anonymität online als auch im „Real Life“ und auf der Straße – dagegen diskutieren.

Aber ja, das ist wohl etwas viel verlangt. Und ich sehe auch schon das Gegenargument. Das österreichische „Verbotsgesetz“ – also das Verbot nationalsozialistischer Aktivitäten – schränkt zumindest eine Ideologie ein. Eine Ideologie allerdings, die von Staat und Gesellschaft allgemein als gefährlich und inakzeptabel eingeschätzt wird. Österreich wurde auf der Annahme des Antifaschismus gegründet.

Und, wichtiger Punkt: die Vergangenheit hat bereits bewiesen, dass der Nationalsozialismus in Österreich die demokratiefeindliche Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. Eine Ausweitung auf andere totalitäre Ideologien, zum Beispiel den Dschihadismus, wurde im Wahlkampf letztes Jahr bereits diskutiert. Der Kommunismus ist in Österreich wiederum friedlich und eher vom Aussterben bedroht als wirklich demokratiegefährdend.

Insofern gibt es zwar wenige Ausnahmen, in denen man Einschränkungen diskutieren kann – nämlich, wenn die öffentliche Ordnung bedroht ist. Aber nur wegen der angeblichen „Sinnlosigkeit“ ungenehmer Meinungen ein Verbot zu fordern – was offensichtlich die Intention des Vorschlages Demoverbot war – ist nicht nur unsinnig, sondern ein schwerer Eingriff in die Freiheit. Auch, wenn die Demonstranten einen anderen Freiheitsbegriff und generell schwierige Ansichten haben mögen – sie haben ihr Recht darauf.

Wenn uns etwas nicht gefällt, sind wir als Gesellschaft hoffentlich weit genug, zu tolerieren und diskutieren. Und auch auf der Meinungsplattform Fisch+Fleisch, die auch oft ihre Aussetzer hat und in dieser Diskussion aktiv ist, sollten wir der Politik immer wieder deutlich machen: Finger weg von unserer Meinungsfreiheit.

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