In jeder Diskussion gibt es gewisse Totschlagargumente. Zum Beispiel „Weil es immer schon so war“. Mit diesem Argument begründete unter anderem der ehemalige Vizekanzler Michael Spindelegger, wieso die ÖVP für die Beibehaltung des Status Quo in Sachen Wehrpflicht sei. Mittlerweile ist Spindelegger von all seinen Posten zu dieser Zeit zurückgetreten. Komisch.
Mit Totschlagargumenten in Diskussionen beschäftigt sich auch „Godwins Law“. Nach dem Rechtsanwalt Mike Godwin steigt die Wahrscheinlichkeit, einen Nazi-Vergleich in einer Diskussion zu finden, im Verlaufe der Diskussion immer weiter an. Und vermutlich hatte jeder schon mal das Erlebnis – wenn eine Auseinandersetzung zu nichts mehr führt, geht es plötzlich um Parallelen zu Hitler.
Aber mein allerliebstes Totschlagargument ist Folgendes:
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„Haben wir keine größeren Probleme?“
Dieses Argument wiederum kennt auch einen Zusammenhang mit den Diskutanten. In den Kommentarsektionen des Boulevards kann man dieses Argument unter jedem Artikel lesen – was lustig ist, denn gerade Zeitungen zeigen ja durchaus mehrere Probleme. In qualitativ hochwertigen Diskussionen wird man dagegen kaum auf dieses Argument stoßen.
Und zwar auch, weil es auf völlig falschen Prämissen beruht. „Haben wir keine größeren Probleme“ geht davon aus, dass es falsch ist, sich über kleine Probleme Gedanken zu machen. Na wenn das so ist, werde ich nun nichts mehr über die österreichische Innenpolitik schreiben – der Nahost-Konflikt ist nämlich noch immer nicht gelöst!
Und wer entscheidet überhaupt, was die „größeren Probleme“ sind? Richtig: Journalisten. Die relevantesten Nachrichten sind (hoffentlich; in Qualitätsmedien) die größten Schlagzeilen. Wiederum andere Medien mit etwas anderem Publikum machen die neue Frisur von Marko Arnautovic zum „größten Problem“.
Auch ich bin manchmal versucht, „Haben wir keine größeren Probleme?“ zu fragen. Zum Beispiel, als ich vor Kurzem mal wieder über Twitter auf eine Nachricht aufmerksam wurde – Zayn Malik verlässt One Direction! Das weltweite Trending Topic dazu: #AlwaysInOurHeartsZaynMalik. Mädchen und Jungs produzierten Videos von sich, wie sie Zayn Malik nachweinten. Dämlich.
Was man aber irgendwann einsehen muss, ist, dass jede Nachricht irgendwo Existenzberechtigung hat. Ich werde wohl nie verstehen, wieso das Baby von Charlene von Monaco eine größere Nachricht als ein IS-Massaker sein soll – aber das muss ich auch nicht. Das ist nicht mein Metier. Wenn ihr mich fragt, haben wir durchaus größere Probleme. Das heißt aber nicht, alles, was nicht meinen Vorstellungen entspricht, mit diesem Totschlagargument abzustoßen.