Den „unmöglichsten Job, den die Republik zu vergeben hat“. So nannte Josef Pühringer vor einiger Zeit den Posten der Innenministerin, Johanna Mikl-Leitner. Die Überforderung bei der Dokumentation der Flüchtlingsankünfte spricht dafür: Momentan arbeitet man an den Daten für September, anerkannte Flüchtlinge gehen statistisch in der Masse deutscher Studenten unter. Und auch die menschenwürdige Unterbringung ist sicher nicht leicht zu organisieren. Man könnte also fast Mitleid mit der Innenministerin haben. Fast.

Denn gleichzeitig arbeitet die Ministerin im Schatten der Flüchtlingskrise erneut am Überwachungsstaat. Nicht nur mit Hilfe eines Staatsschutzgesetzes, das noch eine Zeit dauern wird. Sondern auch mit ihrer Forderung, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Es drohen gefährliche Reformen in einem Land, das diese andernorts bitter nötig hätte.

Johannas Lieblingsprojekt I: Die Vorratsdatenspeicherung

Die Vorratsdatenspeicherung (VDS) sieht vor, dass Telekommunikationsanbieter sechs Monate lang ihre Daten speichern müssen, um sie nach Anfrage den Behörden zur Verfügung zu stellen. Das geht auf eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 zurück. In Deutschland wurde die VDS zuerst ausgesetzt, später dann auch durch den EU- und den österreichischen Verfassungsgerichtshof. Grundrechte und Freiheitsrechte sind halt auch was Nerviges.

Jetzt aber kommt der nächste Anlauf. Wieder mal unter dem Deckmantel „Kampf gegen den Terrorismus“. Diesmal braucht es nicht mal einen aktuellen Anlass – trotz friedlichen Zuständen reichen wohl die Ängste der Menschen als „Begründung“ für die VDS. Weil ja angeblich sowieso alle Syrer Terroristen sind.

Johannas Lieblingsprojekt II: Das Polizeiliche Staatsschutzgesetz

Schon länger arbeitet die Ministerin neben der veralteten VDS an einem „polizeilichen Staatsschutzgesetz“ (PStSG), das von vielen Kritikern als Riesenschritt in Richtung Überwachungsstaat gesehen wird. Unter anderem sieht das Gesetz vor:

  • massive Aufwertung der Kompetenzen des Verfassungsschutzes
  • Geheimdienste auch auf Landesebene
  • keinerlei richterliche Kontrolle

und, das wohl Wichtigste:

  • Überwachung zur „Bewertung der Wahrscheinlichkeit“ eines verfassungsgefährdenden Angriffs

In der Praxis würde das bedeuten: Im Bund und in den Ländern sitzen Geheimdienste, die jederzeit auf deineDaten zugreifen können. Dabei müssen sie keinen Richter fragen, sondern nur einen „Rechtsschutzbeauftragten“ – die Diskussion, warum das nicht reicht, hatten wir schon bei der Abschaffung des Bankgeheimnisses. Als Begründung für die Überwachung reicht, dass man bewerten will, wie wahrscheinlich es ist, dass du einen verfassungsgefährdenden Angriff begehst. Davon gibt es übrigens über 100, darunter auch solche Sachen wie „Geheimnisverrat“.

Warum ist das alles wichtig?

„Das Recht auf Privatleben umfasst auch, dass ich mich grundsätzlich unbeobachtet bewegen darf.“– Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 2003

Und jetzt kommt natürlich das Totschlagargument: „Wer nichts zu verbergen hat, muss sich auch vor nichts fürchten“. Viele, die diese staatliche Überwachung für unrealistisch halten und sich nicht davor fürchten, verdecken gleichzeitig ihre Webcam, weil sie von Hackern beobachtet werden könnten.

Das Ding ist: Privatsphäre ist wichtig. Wer was mit deinen Daten machen kann, könnte dich irgendwann in eine gefährliche Situation bringen. Alles, was du tust oder sagst, kann gegen dich verwendet werden. Und das wird es vielleicht irgendwann auch. Bewegungsprofile, Anrufe, vielleicht sogar auch private Nachrichten können je nach Auslegung der Vorratsdatenspeicherung und mit dem Staatsschutzgesetz auf jeden Fall in die falschen Hände geraten – und dich irgendwann in einen Schlamassel bringen.

Das Gute ist, dass Mikl-Leitner in beiden Fällen vermutlich abblitzen wird. Es kommt lobenswerter Widerstand vom Koalitionspartner SPÖ und von der Opposition, was das Staatsschutzgesetz anbelangt. Die Vorratsdatenspeicherung kann man rein rechtlich nicht durchboxen – der Verfassungsgerichtshof und der EUGH werden ihre Meinung zu Freiheitsrechten wohl nicht geändert haben. Wenn jetzt noch ein bisschen öffentliche Debatte und Widerstand dagegen vonseiten der Zivilgesellschaft kommt – dann haben wir schon so gut wie gewonnen.

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Silvia Jelincic

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