Neuwahlen - Eine gute Idee?

Gestern ist etwas passiert. Etwas, das schon lange nicht mehr passiert ist. Denn die Neos – ihr wisst schon, diese liberale Kleinpartei – haben positive Schlagzeilen gemacht. Sie haben Sessel vor das Parlament gestellt und sofortige Neuwahlen gefordert. Nachdem seit der Cannabis-Debatte im letztjährigen Sommerloch eher Negativ-Schlagzeilen die Berichterstattung über die Neos dominierten, gibt es nun auch wieder was zum Freuen für die Pinken.

Die Forderungen nach Neuwahlen ist kein Novum in Österreich. Auch Strache hat diese schon des Öfteren vorgeschlagen. Allerdings ist es um ihn, was das angeht, erstaunlich still geworden. Ein paar taktische Anmerkungen zum Thema Neuwahlen:

Kein dummer Schachzug von den Neos

Von den Neos selbst ist das natürlich kein dummer Schachzug. Im letzten Wahlkampf von 2013 gab es kaum mediale Berichterstattung über die neu antretende Partei, die auf Anhieb die 4 %-Hürde knackte und den Einzug ins Parlament bejubeln durfte. Bei Neuwahlen könnten die Neos dank bestehender Strukturen und höherem Bekanntheitsgrad ihr bescheidenes Ergebnis vermutlich steigern. Denn auch, wenn die Neos im Burgenland wie in der Steiermark den Einzug in die Landtage verpasst haben, könnten sie in den Städten und unter den jungen Menschen sicher auf Zugewinne spekulieren.

Ein feiner Nebeneffekt: Die Abwärtsspirale der Neos würde endlich unterbunden. Nach der Anfangseuphorie ging es mit Angelika Mlinars „Wasserprivatisierung“-Sager – ähnlich wie mit dem Team Stronach nach dem mit der „Todesstrafe“ – nur noch bergab. Bei der EU-Wahl und in Vorarlberg blieben die Neos unter den Erwartungen, im ZIB2-Studio wurde Strolz von Armin Wolf zerlegt, und die ÖVP hat sich so nebenbei auf eine wirksame mediale Taktik geeinigt. Zuerst Inhalte der Neos kopieren, dann „Neos-Partei“ aussenden, um sie alt aussehen zu lassen, und dann behaupten, sie hätten kein Programm. Einige Medien haben auch die Aussage der ÖVP aufgeschnappt, man wisse nicht, ob es die Neos nach den nächsten Wahlen noch gebe. Eine self-fulfilling prophecy – die man mit einer Flucht nach vorne gut bekämpfen könnte.

Rot-Schwarz hätte keine Überlebenschance

Allerdings ginge es bei einer Neuwahl – so realistisch muss man sein – nicht primär um die Neos, sondern um die Regierungskonstellation danach. Nachdem die Roten nun den letzten Hauch eines Prinzips über Bord geworfen haben, darf man davon ausgehen, dass auch die Sozialdemokraten eine Koalition mit der FPÖ nicht ausschließen würden. Ebenso wenig die ÖVP, die sich trotz schlechter Ergebnisse mehr und mehr Posten erpresst verhandelt.

Das Fortführen einer rot-schwarzen (oder schwarz-roten) Koalition wäre für Österreich verheerend und vermutlich auch völlig unrealistisch. Schon in den Ländern werden SPÖ und ÖVP abgestraft für die vielfachen Versäumnisse der Bundesregierung. Die wenig nachhaltige Steuerreform, die neuen Überwachungsstaat-Maßnahmen, die Hypo Alpe Adria und das Theater um den U-Ausschuss, und nicht zuletzt auch die Flüchtlingsthematik werfen kein gutes Licht auf eine Regierung, deren Chef sich duckt und mutige Lösungen vermeidet. Glanzfigur in Sachen Reformen ist ein bezeichnenderweise ein Parteiloser in der Regierung – Hans Jörg Schelling.

Die FPÖ als Zünglein an der Waage

Also bleibt die Frage – wer macht’s mit blau? In Sachen Sozialpolitik gäbe es Berührungspunkte zwischen SPÖ und FPÖ, gesellschaftspolitisch steht die Strache-Partei der ÖVP näher. Wirtschaftspolitisch kann man bei der SPÖ kein Profil feststellen, es wäre wohl kein großer Unterschied, mit wem die FPÖ hier zusammenarbeiten würde. Vermutlich mit jenen mit restriktiverem Flüchtlingsprogramm.

Dass nicht nur die FPÖ, sondern auch die Grünen und die Neos höchstwahrscheinlich dazugewinnen würden, bleibt eine nette Randnotiz, würde sich aber vermutlich nicht auf die Regierungskonstellation auswirken. Eine rot-grüne Mehrheit im Bund scheint unrealistisch, eine schwarz-pinke erst recht. Eine Regierung ohne die blaue Partei, die sich zum wiederholten Male die höchsten Zugewinne erkämpfen würde, wäre also de facto ausgeschlossen.

Ein Ausblick

Ob das allerdings wirklich besser wäre? Immerhin beschäftigt die letzte Regierung mit blauer Beteiligung heute noch die Gerichte. Meine Antwort wäre trotzdem: Ja. Denn an einer Regierungsbeteiligung einer so erfolgreichen Vermutlich-Platz-1-Partei wie der FPÖ führt in einer Demokratie nichts vorbei. Der Wähler hat immer recht – auch, wenn seine Entscheidungen sich als fatal hinausstellen.

Meine These: Eine Neuwahl würde eine Regierung zwischen einer ehemaligen Großpartei und der FPÖ erzwingen. Das hätte gravierende Nachteile, da sich deren Wirtschaftskompetenz schon beweisen konnte und die Flüchtlingsproblematik auf einen noch menschenverachtenderen Kurs geführt würde. Auch für Österreichs Rolle in Europa wäre eine solche Koalition kontraproduktiv. Aber – und das ist die große Hoffnung – das würde nicht lange halten.

Auch Griechenland schenkte Populisten sein Vertrauen. Und diese können ihre Versprechen nicht einhalten. Ähnlich wird es Strache ergehen, wenn er seine „einfachen Lösungen für komplizierte Probleme“ nicht sofort umsetzen kann – weil sie gegen EU- oder Verfassungsrecht verstoßen. Vor allem in Hinsicht auf EU-Austritts-Fantasien und „Privatmeinungen“ wie die Rückführung legal hier lebender ehemaliger Migranten. Wichtig wäre hierbei eine starke Opposition – vor allem der endgültig abgehobenen SPÖ würde eine Rückbesinnung auf so etwas wie Werte sehr gut tun. Und ein neuer Chef auch.

Wenn dann eine Strache-Regierung patzen würde und es wieder Wahlen gebe – dann würde die FPÖ abgestraft dahin, wo sie hingehört. In die marginale Gruppe jener, die einfach etwas gegen Ausländer haben und keine Konzepte brauchen. Eine der ehemaligen Großparteien könnte dann zusammen mit den Grünen und den Neos eine Regierung bilden. Oder mit einer neuen Partei. Wie auch immer – die Strache-Regierung wird vermutlich unausweichlich sein, aber sie wird auch vorbeigehen. In jedem Fall wären Neuwahlen eine spannende Idee. Nicht nur für die Neos.

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