Sie ist unbeliebt wie nie. Obwohl sie gewählt wurde, fragen sich viele, wie demokratisch legitimiert sie noch ist. Denn sie schafft es nicht, nachhaltige Lösungen zu schaffen. Wie genau sie funktioniert, wissen die wenigsten – trotzdem denken die meisten, dass sie Politik über ihre Köpfe hinweg macht. Kurzgesagt: Sie ist wahnsinnig umstritten und am liebsten hätten wir eine andere.
An wen denken Sie jetzt? An die Europäische Union? Komisch, denn eigentlich ging’s mir um die österreichische Bundesregierung. Im politischen Diskurs werden die beiden oft gegeneinander ausgespielt – auf der einen Seite verlangt man „europäische Lösungen“, weil man nationalstaatlich eh nichts mehr zusammen bekommt. Auf der anderen Seite schimpft man gegen die „Eurokraten“, die unsere Gurken krümmen wollen– ein souveräner Staat macht alles besser. Die Gurkenkrümmungsverordnung kommt übrigens aus Österreich.
Auf welcher Seite Sie auch stehen – die österreichische Bundesregierung und die EU haben mehr gemeinsam, als Sie vielleicht glauben werden. Ein kleiner Überblick über ein großes Thema.
Wer ist hier undemokratisch?!
Das Demokratiedefizit der EU wird oft angesprochen – dabei haben wir es doch im Mai 2014 gewählt, oder? Nun ja, zumindest die 18 Österreicher. Man kann nämlich nur die Abgeordneten seines eigenen Staates wählen – was unter anderem dafür sorgt, dass die Deutschen ihrer Bevölkerung entsprechend stärker repräsentiert und ihre Stimme insofern mehr wert ist. Mit nur 0,6 Prozent der deutschen Stimmen schaffte es der Satiriker Martin Sonneborn für die Deutschen ins EU-Parlament – bei uns brauchten die Neos mehr als acht für ihr Mandat.
Man könnte natürlich nun auch die Frage stellen, wie demokratisch legitimiert die österreichische Regierung ist. Klar, sie wurde gewählt – aber unter den Wahlkampf-Prämissen, dass die Pensionen sicher sind, es kein Budgetloch gibt und die Hypo Alpe Adria halb so wild ist. Nach der Wahl gab es also einige „Überraschungen“. Ist die „Wählerbetrug“-Floskel gar gerechtfertigt? Die Antwort sei Ihnen überlassen. Denn ob demokratisch oder nicht, die Qualität der Demokratie lässt zu wünschen übrig.
Denn beide – EU und die österreichische Regierung – brauchen ihre Gesetze nur abzunicken. In Österreich gibt es den Klubzwang, Parteirebellen werden gerade in den großen Parteien fürs Ausscheren bestraft. Beweis dafür ist Sonja Ablinger. Interessant wird es nur, wenn eine Verfassungsmehrheit gebraucht wird – dann muss sich die Regierung eine Oppositionspartei ins Boot holen. Und auf einmal wird aus einem gelähmten Parlament eine echt wichtige Angelegenheit.
Im EU-Parlament sind „Rebellen“ zwar üblicher – dennoch können Gesetze wie die Abschaffung der Netzneutralität beschlossen werden, weil die europäische ÖVP (EPP) die Entwürfe geschlossen durchboxt. Das ist übrigens gerade eben wirklich passiert und könnte dafür sorgen, dass Ihr Internet-Anbieter Ihnen mehr verrechnen kann, damit die Verbindung auch ganz sicher stabil bleibt. Blöde Sache für Start-Ups, aber auch für Gamer und eigentlich so ziemlich für jeden. Ob das wohl passiert wäre, wenn alle frei nach ihrer Meinung abgestimmt hätten?
Sonstige grausige Gemeinsamkeiten
Was die EU und Österreich noch gemeinsam haben? Der Chef hat Dreck am Stecken! Bundeskanzler Werner Faymann soll eine Inseratenkampagne (er liebt Inserate) von Geldern der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) bezahlt haben – der Untersuchungsausschuss dazu wurde abgedreht. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dagegen soll als Finanz- und später als Premierminister von Luxemburg großen Konzernen Steuervorteile zugesichert haben. Ein echter U-Ausschuss wurde gar nicht erst eingesetzt.
Ach ja, und die Außenpolitik haben sie auch gemeinsam. Nicht, weil Österreich und die EU mittlerweile dasselbe sind – aber beide machen sich recht fragwürdige Freunde. Österreich betreibt zum Beispiel nach wie vor das „König-Abdullah-Zentrum“ für „interreligiösen Dialog“ – von den Saudis finanziert, die gerade Raif Badawi auspeitschen, weil er bürgerliche Freiheiten fordert. Gleichzeitig hofiert die EU Recep Tayyip Erdogan, den türkischen Präsidenten, der einen Krieg gegen die Kurden führt und eine Hetzjagd gegen kritische Journalisten startet. Was Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit anbelangt, ist wohl Österreich und der EU gleichermaßen egal, mit wem sie zusammenarbeiten.
Fazit
Sie sehen: Die österreichische Bundesregierung und die Europäische Union sind gar nicht so verschieden. Es gibt auf allen Ebenen der europäischen Regierungen Probleme – man könnte genauso gut weitere EU-Staaten dazu nehmen. Wichtig wäre für alle Akteure, dass sie die wichtigen Themen unserer Zeit mutig angehen – ohne ständig auf die nächsten Wahlen zu schielen. Nur: Irgendwo in Österreich, irgendwo in Europa, sind immer Wahlen. Darum scheint das nichts zu werden. Bedenken Sie das alles jedenfalls, wenn Ihnen das nächste Mal jemand erzählt, wie schlimm nur eine von beiden denn sei.