„Paris ändert alles“. Dieser Satz des deutschen CDU-Politikers Markus Söder trifft nicht nur Deutschland und Frankreich, sondern ganz Europa. In Frankreich wird der Ausnahmezustand verlängert, Rom sperrt im Dezember seinen Flughafen, europaweit wird der (völlig unnötige) Überwachungsstaat beschworen.
Aber eine Maßnahme ist schon sicher: Dass der „War on Terror“ wieder losgeht. Frankreich hat die EU bereits um Hilfe gebeten. Oder besser gesagt verpflichtet – denn er bezieht sich auf Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags.
"Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung."
Wie sich das ach so neutrale Österreich in dieser Causa einbringen wird, ist zwar spannend, aber nebensächlich. Viel wichtiger ist, dass die Europäische Union eine einheitliche Linie im Umgang mit Terrorismus und im Kampf gegen die IS-Miliz findet. Und das wäre eigentlich eine ganz normale Forderung – wenn da nicht die bittere Realität wäre.
Europas beste Freunde
Denn wenn sich Europa plötzlich hinstellt und meint, entschlossen gegen Terrorismus vorzugehen und die Menschenrechte hochzuhalten, ist das absolut scheinheilig. Immerhin hofieren die Union und ihre Mitgliedsstaaten seit Jahren Länder, die mit Demokratie, Freiheit und Menschenrechten genau gar nichts am Hut haben.
Saudi-Arabien zum Beispiel. Ihr wisst schon – dort, wo Raif Badawi ausgepeitscht wird, weil er Religionsfreiheit fordert. Wo man Atheisten als „Terroristen“ bezeichnet – aber gleichzeitig die IS-Mörder finanziert. Wo Frauen kaum Rechte haben und wo stabile Verhältnisse nur noch wegen dem großen Reichtum durch Erdöl möglich sind. Durch den Reichtum, den wir ermöglichen. Wie ähnlich Saudi-Arabien eigentlich unserem neuen Lieblingsfeind ist, zeigt diese fesche Aufstellung:
Natürlich ist das nicht der einzige Problemfall in der EU-Außenpolitik. Auch mit der Türkei macht man jetzt Geschäfte. Dort regiert die AKP von Recep Tayyip Erdogan. Eigentlich hat sie die absolute Mehrheit verloren, da es eine multikonfessionelle Liste (HDP) ins Parlament geschafft hat – allerdings wurden die Wahlen wiederholt, nachdem mal wieder ein Bürgerkrieg gegen die Kurden angefangen wurde. Ein absolut ungerechter Krieg. Viel berichtet werden konnte darüber nicht, da Erdogan auch die Medien immer mehr unter seine Kontrolle bringt und auch soziale Medien wie Twitter regelmäßig sperren lässt – wenn mal wieder irgendwo Kurden sterben. Und diesem Arschloch überlassen wir jetzt die Sicherung der EU-Außengrenze – selbst unter normalen Umständen wäre es unklug, sich so erpressbar zu machen.
Das alles ist aber seit Jahren so, quasi aus Tradition. Wie sieht es aktuell aus? Nachdem wir die Iraner nicht mehr sanktionieren müssen, buhlen europäische Unternehmen um Geld aus dem Land der Mullahs. Das ist zwar gut fürs Geschäft, stützt aber gleichzeitig die Herrschaft von religiösen Fundamentalisten, deren oberster Gläubiger immer noch den Tod Israels wünscht.
Schluss mit der Scheinheiligkeit!
Dass die IS-Terroristen bekämpft werden müssen, ist eine Tatsache, die viel zu spät eingesehen wurde. Allerdings ist es scheinheilig, gleichzeitig deren Sympathisanten und andere Menschenrechtsfeinde zu unterstützen. Wir sanktionieren Russland, aber tolerieren die Saudis? Warum nicht gleich Geschäfte mit Nordkorea? Der kommende Krieg mit dem IS wäre eine willkommene Gelegenheit, um die Außenpolitik der EU endlich wieder glaubwürdig zu machen.