Wisst ihr, was mich stört? Generationen-Artikel. Okay, nicht generell alles, was mit Generationen oder Demographie zu tun hat. Aber diese „Generation Y“-Artikel. Oder „Generation Praktikum“. „Generation Ratlos“. „Generation Startup“. Ihr wisst, was ich meine.
Aber viele verstehen das nicht. Vor allem die „Boomer“ nicht. Immerhin hat ihre Generation auch ein „Label“: Sie sind die Vielen, die von der Nachkriegsgeneration in relativem Wohlstand aufgezogen wurden und die politische Macht hatten (und immer noch haben). Die Generation vor ihnen wiederum wurde durch den Krieg geprägt – egal, ob die Leute mitgekämpft oder „nur“ in jungen Jahren miterlebt haben, wie schrecklich alles war.
Und wir? Naja. Wir leben halt auch.
Das wesentliche Merkmal der Jugend von heute ist, dass es kein wesentliches Merkmal gibt. Die Boomer hatten die zahlenmäßige Überlegenheit, die Generation vor ihnen den Krieg. Wenn wir überhaupt etwas haben, dann sind das versaute Lebenschancen.
Aber auch das ist nicht wirklich das gemeinsame Merkmal. Denn die versauten Chancen sind nun mal nicht für alle gleich.
Unsere Generation umfasst ja nicht nur Arbeiterkinder und Jugendliche, deren Abschluss nichts mehr wert ist. Also nicht nur „Generation Praktikum“ – ein weiteres Label, für das ich jedes Mal kotzen möchte. Sie umfasst auch die Kinder reicher Eltern. Kinder, die die Wohnung ihrer Großeltern erben und davon gut leben können. Kinder von denen, die es sich richten können. Aber auch Kinder, die ihr eigenes Ding machen und damit ziemlich gut verdienen. Und in jedem Fall eben die Kinder, die die ganze Misere ausbaden müssen, die vorherige Generationen uns eingebrockt haben.
Und ich seh schon die Kommentare der grumpy old men, die sagen, dass es uns eh so gut geht und dass „wir“ so faul sind. Aber sowas muss man nicht ernst nehmen, wenn es von Leuten aus dem Jahrgang kommt, der es einfach unverschämt leicht hatte.
@sophxthompson
The struggle is real. Ihr habt eure Unternehmen gegründet in einer guten wirtschaftliche Lage. Kredite gab es schnell mal, die Verdienste waren gut, die Preise billiger. Von unskilled work konnte man, wie im genialen Tweet über diesem Absatz beschrieben, leben. Ihr hattet kaum Hindernisse, brauchtet kaum Qualifikation. Sogar Journalisten konnten sich ihre Stellen aussuchen.
Und heute können oder wollen uns eure Unternehmen nicht anständig bezahlen. Ihr habt das mit weniger Ausbildung aufgebaut, mit „Hausverstand“, und ruht euch jetzt auf eurer Berufserfahrung aus. Wenn heute jemand mit besserer fachlicher Ausbildung anklopft, darf er aber nicht rein. Für jeden Beruf braucht man Berufserfahrung, sogar für Praktika. Und die sind dann oft nicht einmal bezahlt.
Das ist für niemanden lustig. Gerade in der Medienbranche können etablierte wie angehende Journalisten ein Lied davon singen. Dadurch, dass die Medien noch nicht den richtigen Umgang mit der Digitalisierung gefunden haben (ich auch nicht), fehlt Geld, fehlen Mitarbeiter, fehlt die Qualität, die eigentlich da sein könnte. Es ist ein Teufelskreis.
Aber das ist nicht nur in meiner Branche so. Gerade in der „Kreativbranche“ – also die der Irgendwas-mit-Medien-Menschen, die wie ich Sozialwissenschaften studieren und daraus in den Jobs, die früher mal gut bezahlt wurden, Karriere machen wollen. Junge Leute bringen gerade im IT-, Medien und Social Media-Bereich quasi von Haus aus Skills mit, die die Vertreter der vorherigen Generationen noch immer nicht erlernt haben. Der Umgang einiger Journalisten – und vor allem Politiker – mit Social Media ist der Beweis.
Für „uns“ könnte das theoretisch was Gutes sein. Aber es ist nicht einfach. Auf den Social Media-Zug sind schon viele aufgesprungen, in den Medienbereich kommst du nicht rein. Als Selbständiger kannst du kaum von dem leben, was unsere Generation gegenüber den anderen besonders macht. Und gleichzeitig ist es schwer, in das alte System reinzukommen. Das alte System mit den alten Geschäftsführern, alten Herangehensweisen und immer gleichen Abläufen.
Ich habe den Eindruck, meine Generation ist zu spät geboren, um von diesem alten System mit seinen hochdotierten Fixanstellungen profitieren zu können. Aber zu früh, um ihr eigenes Ding abseits dieser Unternehmen zu machen. Wir bleiben irgendwo hängen. Und wir können uns nicht mal dagegen organisieren.
Denn „die Jugend“ – und ich tu mir sogar mit dieser Generalisierung schwer – treibt zwischen Prekariat und planloser Selbständigkeit in eine diffuse Richtung, die das alte System irgendwie beeinflusst. Von revolutionärem Gedanken und dem Aufbrechen dieses Systems kann aber keine Rede sein. Dafür haben wir zu wenig gemeinsam. Die reichen Kiddies und Arbeiterkinder haben nichts miteinander zu tun.
Das alles ist ziemlich scheiße. Und auch, wenn ihr Alten das nicht alleine ändern könnt, solltet ihr zumindest anerkennen, dass es eigentlich ziemlich scheiße ist. Es braucht mehr Chancen für junge Menschen – vor allem wirtschaftliche und auch soziale Chancen. Das war mein Mimimi für heute. Ich geh wieder an meiner Karriere arbeiten – auch, wenn’s schwer ist.