United Kingdom Election - eine Analyse auf Österreichisch

Großbritannien hat gewählt. Ich muss sagen, I’m not amused. Aber darum soll’s hier nicht gehen. Die Wahl der Briten war eine europäische Schicksalswahl. Falls das jemand verpasst haben sollte – hier eine kurze Zusammenfassung des Ergebnisses und österreichische Erklärungen dazu.

Die Tories, also die konservative Regierungspartei um Premierminister David Cameron, konnten ihre Regierungsmehrheit halten und sogar ausbauen. Das lag wesentlich am Glaubwürdigkeitsverlust des kleinen Koalitionspartners, der LibDems. Der Wahlkampf von Cameron war dabei eher langweilig – lange glaubten die Tories, ihr größter Konkurrent Labour könne kein starkes Image aufbauen. Erst als das in der Endphase des Wahlkampfes passierte, kam auch Cameron in Schwung – vor allem mit Wirtschafts- und Führungsargumenten. Es hat sich ausgezahlt.

Österreichische Erklärung:Das kann man so sehen wie einen jeden Wahlkampf in Österreich. Meist gibt es Spitzenkandidaten zweier großer Parteien - SPÖ und ÖVP. Es mögen auch andere Parteien eintreten, aber durch die Meinungsumfragen ist im Vorhinein klar, dass es – wie immer in Österreich – ein Zweikampf wird. Stimmen für Kleinparteien wirken „verschwendet“, Alternativen haben weniger Chancen. Dazu mehr bei Labour.

Labour, die sozialdemokratische Alternative zu Cameron, wurde von Ed Miliband geführt, der mittlerweile nach der Wahlschlappe zurückgetreten ist. Während die meisten Meinungsforscher ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorhersagten, war der Vorsprung der Tories doch etwas zu eindeutig. Dabei schien die Chance echt – Miliband blühte im Wahlkampf auf, erinnerte teilweise an den Barack Obama der ersten Amtszeit. Cameron mied TV-Konfrontationen mit ihm vehement, was Miliband gut ausnutzen konnte. Gereicht hat es im Endeffekt nicht – in Schottland wurde Labour von der SNP überholt, in England von den Tories.

Österreichische Erklärung:Ein Grund für das Versagen von Labour mag sein, dass es den Briten (nicht nur wegen der Wirtschaftskompetenz der Tories) einfach nicht schlecht genug geht, um einen Regierungswechsel herbeizuführen. Das hatten wir 2013 auch in Österreich, und wir werden es vermutlich auch bei den Landtagswahlen wieder bestätigt haben.

Die Liberal Democrats, seit 2010 Junior-Partner der Cameron-Regierung mit Vizepremier Nick Clegg, hat zurecht eine Abfuhr bekommen. Im letzten Wahlkampf versprach Clegg eine Abschaffung der Studiengebühren – im Endeffekt trug seine Partei danach eine Erhöhung der Obergrenze für diese mit. Dafür war er „Sorry“. Auch, wenn die LibDems ansonsten ein gutes Programm vorweisen konnten – Refinanzierung des Gesundheitssystems, europäische Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich und generelle Pro-EU-Haltung im Falle eines Referendums – … es ist vollkommen legitim, Parteien für gebrochene Versprechen abzuwatschen.

Österreichische Erklärung:Davon könnte sich Österreich etwas abschauen – wer Wahlversprechen bricht, wird abgewählt. Die LibDems hatten durchaus gute Ideen, aber die waren im Endeffekt egal, weil die Menschen ihnen nicht mehr vertraut haben. Hierzulande versprechen Parteien „keine neuen Steuern“ und „Vermögenssteuern“ – und erhöhen dafür bestehende Steuern. Ob das als Versprechensbruch zählt, kann man debattieren – eine angemessene Reaktion wird es hoffentlich geben.

Die SNP, die schottische Nationalpartei, ist wohl die Gewinnerin dieser Wahl. 58 von 59 Sitzen im britischen Unterhaus gingen an jene Partei, die 2014 für eine Trennung Schottlands vom Vereinigten Königreich eintrat. Danach übergab ihr Leader, Alex Salmond, seine Funktion an Nicola Sturgeon weiter. Das sorgte für ein schottisches Erdbeben. Schottland, wo früher Labour recht stark vertreten war, ist heute fest in Händen der SNP – zulasten der Roten und Milibands. Damit ist Schottland das einzige Territorium, das vollkommen demokratisch von nur einer Partei vertreten wird.

Österreichische Erklärung:Im Prinzip Bürgerlisten, nur nicht ganz so einfach. Bürgerlisten in Tirol positionieren sich zu Themen in Tirol, um Tiroler Politik zu machen. Die SNP kann man sich vorstellen wie eine Vorarlberger Bürgerliste, die eine Abspaltung von Österreich wollte, eher knapp gescheitert ist und jetzt in die Bundespolitik geht.

Die UKIP, „United Kingdom Independence Party“, ist das britische Equivalent zur FPÖ. Sie ist für einen Austritt aus der EU und ist migrationskritisch – damit gibt sie den Kurs der schwachen, weil populistischen Regierung vor. Vermutlich leider auch die nächsten fünf Jahre. Das Mehrheitswahlrecht der Briten hält die UKIP eher künstlich unten – um ein Mandat zu gewinnen, muss man in einem Wahlkreis eine Mehrheit haben. Mit nur zwei Mandaten kann UKIP keinen zu großen Schaden anrichten – die Themenführerschaft in gewissen Bereichen ist ihr nach Zugewinnen jedoch wieder sicher.

Österreichische Erklärung:Wie gesagt, es ist im Prinzip die FPÖ. Ein populistischer Leader, der sich ab und zu mit einem Bier ablichten lässt und „Teil des Volkes“ / „Gegen das Establishment“ spielt, dabei auf Migranten und der EU herumhackt. Ich halte es für bedenklich, dass viele dieser Stimmen in Europa so viel Beachtung finden und dass europäische Regierungen – in Großbritannien wie in Österreich – auf denselben Zug wie die Rechten aufspringen, um ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das funktioniert nicht, ist aber politisch unklug.

Während die Briten vor allem über innenpolitische Themen gesprochen haben, schielte Europa den ganzen Wahlkampf über auf die große Frage nach dem Referendum. Cameron hat im Vorhinein versprochen, die Briten 2017 über einen Austritt aus der EU abstimmen zu lassen – eine Forderung, die jetzt wahr werden könnte. Es gibt Theorien, dass im Falle einer neuen Labour-Regierung die Tories ebenfalls endgültig „Anti-EU“ geworden wären und das Referendum umso vehementer gefordert hätten. Ein Pro-EU-Cameron ist vielleicht nicht das Schlimmste, was Europa passieren kann.

Bedenklich bleibt aber vor allem die außenpolitische Isolation des Landes. Unter Cameron hat man nicht mehr den Eindruck, dass es sich beim Vereinigten Königreich um eine Weltmacht handelt. Die Außenpolitik beschränkt sich auf das Mitmachen bei Initiativen anderer, wenn überhaupt. Und auf das regelmäßige Anlegen mit der EU, das hauptsächlich auf innenpolitische Gründe zurückgeht. Die Zukunft des Königsreichs unter Cameron bleibt die nächsten Jahre jedenfalls spannend.

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Bernhard Juranek

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