Im Großen und Ganzen fand ich 2013 ein gutes Jahr. Zwar musste ich mich über das Ergebnis der Wehrpflicht-Volksbefragung ärgern, die Landtagswahlen waren auch nicht immer erfreulich. Aber mein größtes Anliegen wurde erfüllt: Die NEOS haben es als erste neue Partei seit den Grünen in den Nationalrat geschafft. Die Euphorie war grenzenlos, ich war überglücklich.
Ich selbst war nicht ganz seit Tag 1, aber spätestens seit Tag 2 bei den NEOS dabei. Damals, im Herbst 2012, bin ich eher aus Zufall zur Vorstellungsveranstaltung in Salzburg gekommen - und ich war begeistert. Mein persönliches Wunschkonzept in Sachen Bildungsreform wurde endlich erhört - autonome Schule für alle, Freiheit statt Zwang, und Lehrer endlich nach Leistung anstellen. Ich engagierte mich im Nationalratswahlkampf in Salzburg, erzählte allen von der neuen Bewegung, beim ersten Bürgerforum schrieb ich sogar am Parteiprogramm mit. Endlich hatte ich eine politische Heimat gefunden.
Aber dieser Text wäre nicht notwendig, wenn es dabei geblieben wäre. Es hat sich einiges getan - in der Partei wie in Österreich generell. In meiner politischen Heimat Salzburg gab es den Stimmenkauf-Skandal um Barbara Unterkofler, die mittlerweile Stadträtin ist, aufgedeckt durch ihren Vorgänger Gerfried Lexer, der vor der Wahl noch zum BZÖ wechselte und dort endgültig unterging. Danach gab es im EU-Wahlkampf mit Angelika Mlinar eine meiner Meinung nach totale Fehlbesetzung, das mit der Wasserprivatisierung (die nach wie vor niemand will) kriegen die Leute nie wieder aus dem Kopf. Und kürzlich gipfelte das Ganze in einem konfusen Gedicht des an und für sich sehr sympathischen, weil menschlichen Matthias Strolz, der nach der ganzen Kritik an seiner Person und Partei im ZIB-Studio zum Thema Cannabis komplett demontiert wurde. Das habe ich zum letzten Mal bei Stronach gesehen - und wie das weiterging, sieht man heute.
Währenddessen verstrich ein Jahr Parlamentsarbeit weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Und die NEOS haben viel geschafft. Zum Beispiel einen parteiübergreifenden Konsens zum Thema Hypo, der einen neuen U-Ausschuss ermöglichte. Und nicht nur, dass sie ein bisschen mehr Positivität, Wertschätzung und Zusammenarbeit ins Parlament gebracht haben - ihre Konzepte fruchten. Steuerreform? Ist DAS große Thema dieser Tage. Schulautonomie? Fordert jetzt sogar die Industriellenvereinigung. Wirtschaftsfreundliches Österreich? Ist jetzt Chefsache in der ÖVP, Staatssekretär Mahrer ist der Matthias Strolz der Bundesregierung. Aber auch das Pensionsthema, das Rederecht für EU-Abgeordnete im Parlament, und nicht zuletzt auch wirklich das Thema Cannabis-Legalisierung: Alles im Fokus. Wegen den NEOS.
Auch, wenn es wie im Fall des Cannabis nicht immer erwünscht war, so haben die NEOS im letzten Jahr viel Positives zum politischen Prozess beigetragen. Genau davon sprach Matthias Strolz immer, wenn er im Nationalratswahlkampf die Partei erklärte. Die NEOS wollen "Österreich erneuern", als Opposition "Themen setzen". Und irgendwann, so Strolz, wenn die dringend notwendigen Maßnahmen getroffen wurden ... dann sei es vielleicht Zeit, zu gehen. Sie seien keine "Sesselhocker", die sich an der Macht halten wollten, sondern eine "konstruktive Kraft". Ich habe diese Phrasen 100-mal gehört, da die Parteimitglieder dazu tendieren, berühmte Forderungen wie Schlagwörter bei Webtext eins zu eins zu übernehmen und zu wiederholen. (#Flügerlheben)
Und jetzt? Die Steuerreform ist auf dem Weg - wenn die Regierung noch irgendeine politische Überlebenschance retten will, dann ist sie 2015 beschlossen. Der U-Ausschuss zum Thema Hypo kommt. Man diskutiert eine Durchforstung der Förderungen und weitere Sparmaßnahmen. Sogar das Wort "Verwaltungsreform" traut man sich wieder auszusprechen. Himmel, sogar die ÖVP bewegt sich plötzlich in Sachen Bildung und Gesellschaftspolitik! Ein Jahr Parlamentsarbeit und eine Regierungsumbildung nach den Nationalratswahlen steht Österreich besser da als vorher, behaupte ich. Und die NEOS kämpfen mit Cannabis.
Klar, dass der polit-mediale Komplex durch Schlagzeilenjournalismus mal wieder ein Thema gesetzt hat, das man nicht wollte. Auch klar, dass man als Opposition sehr konstruktiv ist. Aber was spricht im momentanen Status Quo dafür, die NEOS zu stärken? Nicht lieber die Regierung stärken, um einen FPÖ-Sieg zu verhindern? Oder grün, damit die ihren Wahlfluch endgültig an die NEOS abschieben? Strache führt trotz regelmäßiger Skandale die Umfragen an, die Grünen halten ihr Beliebtheitshoch zum ersten Mal stabil. Die nächste Regierung wird nicht mehr rot-schwarz, sondern ein "Dino" - zusammen mit der FPÖ oder den Grünen.
Der pinke Lack ist ab, die Neuen sind in der Politik angekommen. Und wenn man sich die momentane politische Lage ansieht, muss sich jemand in der Partei wirklich eine neue Strategie überlegen - denn irgendwann wird man die NEOS nicht mehr brauchen.