Bis vor Kurzem mochte ich Wahlkämpfe eigentlich. Diese staatsbürgerlichen Intensivkurse, die Menschen für ein-zwei Tage wieder repolitisieren, haben mich als politisch interessierten Menschen immer unterhalten. Auch, wenn mir die Wahlergebnisse bis jetzt in den seltensten Fällen gefallen haben, weil meine Meinung oft Minderheitenprogramm ist – ich schätze es sehr, wenn über Politik diskutiert wird.
Aber diesmal hat sich was geändert. Der Moment, als Österreich die 37 Prozent für Hofer in der ersten Hochrechnung gesehen hat, hat die Debatte vergiftet. In dem Moment, als rot-schwarz gestorben ist, wurden neue Lager geboren – das blaue und das grüne, das linke und das rechte.
Ich halte das Links-Rechts-Schema für bescheuert. Die Menschen wählen Themen, keine Ideologie. Auch, wenn sich die bösen Rassisten bei Hofer und die argen Kommunisten bei Van der Bellen sammeln – der, der den Menschen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft bietet, gewinnt die Wahl. Und den einfachen Bürgern außerhalb der polit-medialen Bubble ist scheißegal, unter welchem Konstrukt das vermarktet wird.
Das Problem dabei: Sag das mal!
Die Szene wurde ideologisch unterwandert. Die (selbsternannten – ich meine hier eigentlich immer: selbsternannten) Linken meinen, die Rechten hätten den politischen Diskurs verseucht. Die Rechten umgekehrt mokieren die tendenziöse Berichterstattung der Linken in den Medien. Beides lässt sich vermutlich bis zu einem gewissen Grad auf Confirmation Bias zurückführen – auf die Gewohnheit, bestätigende Information zu bevorzugen. Ich hab’s immer gewusst.
Für mich ist in dieser Lagerdiskussion kein Platz. Ich würde mich weder als links noch als rechts bezeichnen. Es gab Zeiten, in denen ich mich, „politologisch gesehen“, als eher rechts bezeichnet habe, weil ich Freiheit der Gleichheit vorziehe – das habe ich verworfen, weil ich Ungleichheit ab einem gewissen Ausmaß als Riesenproblem sehe. Ich habe mich auch mal als „linksliberal“ bezeichnet – das halte ich heute für einen Widerspruch, genau wie „liberal-konservativ“. Die theoretischen Konstrukte habe ich abgelegt – ich entscheide nach Themen, nicht nach Ideen.
Und ich glaube, dass die meisten Menschen das auch tun. Wie ich schon in meinem letzten Beitrag geschrieben habe, meine ich, dass nicht alle Hofer-Wähler Nazis sind. Auch, wenn die FPÖ zweifelsohne das Sammelbecken für Rassisten ist und die rechtsextremen Einzelfälle scheiße sind: Viele wählen Hofer, weil sie den Eindruck haben, die FPÖ sei die einzige Chance auf eine bessere Zukunft. Sie können damit falsch liegen – aber die Demokratie hält auch Fehlentscheidungen aus.
Aber die Diskussion ist tot. Hofer-Wähler sind Idioten, sagen die Van der Bellen-Wähler. Vielleicht sogar Nazis. Auf der anderen Seite finden sich die „linkslinken Gutmenschen“, die „Bahnhofsklatscher“ und „Realitätsverweigerer“. Wenn du nicht für uns bist, bist du gegen uns. Das war schon immer so – mit dem Ergebnis der Bundespräsidentenwahl ist das allerdings noch viel schlimmer geworden.
Dem selbst denkenden, unideologischen Wähler bleibt in diesem Wahlkampf also nichts übrig, als sich in eine zynische Beobachterrolle zurückzuziehen. Denn es gibt keine Diskussionspartner mehr – die befinden sich in einer dieser beiden Blasen, die schon für die große Schlacht im Mai aufrüsten. Kommunisten gegen Nazis, ignorante Unter- gegen arrogante Oberschicht. Der Bürgerkrieg der Filter Bubbles ist im vollen Gang – und Widerstand ist zwecklos.