150 Tote. Einhundertfünfzig – fucking – Tote. Und Ihr habt keine Ahnung, wovon ich rede.

Es waren ja auch keine Pariser, die gestorben sind. Nicht mal in Europa hat es stattgefunden. Es war kein IS involviert, es waren keine Westler bedroht und es passierte in einem Land, das man auf der Weltkarte erst suchen muss.

Weltblick.de http://www.welt-blick.de/landkarten/somalia-karte-klein.png

Am 7. März wurden in Somalia 150 Menschen durch eine Drohne des US-Militärs getötet. Es wird behauptet, dass die Toten mit der al-Shabaab-Miliz – eine Gruppierung, die dem IS ähnlich ist – angehört hatten. Beweise dafür gibt es nicht.

Und das ist ein Problem. Denn eigentlich hat das US-Militär keine Befugnis, Angriffe wie diese durchzuführen. Denn die USA befinden sich nicht im Krieg mit Somalia. Wie allerdings Glenn Greenwald – der amerikanische Journalist, der zusammen mit Laura Poitras die Snowden-Enthüllungen veröffentlichte – auf seinem Medium The Intercept aufdeckt, können US-Truppen so ziemlich jeden töten, wenn sie mit der Sicherheit von US-Bürgern argumentieren können.

Mehr noch: Das US-amerikanische Recht betrachtet – quasi „im Nachhinein“ – alle wehrfähigen Männer als „militante“, also quasi Terroristen. Außer, man kann das Gegenteil beweisen. Mit der Sicherheit von US-Bürgern lässt sich überall dort argumentieren, wo US-Bürger sind – also auch dort, wo sich Angehörige des US-Militärs aufhalten. Greenwald zeigt auf, wie pervers das ist: Die US-Soldaten sind dort – und allein dadurch verschaffen sie sich die „Befugnis“, Menschen zu töten, die ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten.

Natürlich könnte man behaupten, dass das ein tragischer Einzelfall ist. Oder dass nicht mal sicher sei, ob die 150 Menschen nicht wirklich allesamt Terroristen waren. Dagegen spricht aber, dass nach jahrelanger Auswertung klar ist, dass etwa 90 Prozent (!) aller Opfer von Drone Strikes Zivilisten sind. Diese Statistik wird dadurch verzerrt, dass jemand, der „unbeabsichtigt“ getötet wurde, im Nachhinein zum militant wird, sofern nicht das Gegenteil bewiesen ist.

Und auch wenn man die Einstellung „Wo gehobelt wird, fallen Späne“ vertritt: Die Bomben von Obama sind nur ein Propaganda-Boost für Terrorgruppen wie den IS. Das halten auch einige ehemalige Drohnenpiloten fest, die in einem Offenen Brief an Präsident Obama ein Ende des Drohnenkrieges einfordern. Viele leiden an posttraumatischer Belastungsstörung und werden nach ihrem Dienst fallen gelassen.

„Ein F-16-Pilot weiß nicht, was auf dem Boden passiert. Er kriegt seine Koordinaten, kommt angeflogen, wirft die Bombe ab und ist dann schon wieder weg - ohne zu sehen, wen oder was er gerade bombardiert hat. Ein Drohnenpilot hingegen harrt aus, bevor er tötet. Er beobachtet sein Ziel: stundenlang, tagelang, manchmal wochenlang. Dadurch entwickeln viele Drohnenpiloten Mitgefühl mit ihren Zielpersonen.“, sagt der britische Journalist Chris Woods in einem Interview mit Spiegel Online.

Und trotzdem kann es scheinbar sein, dass von großer Entfernung aus unzählige Leben beendet werden – aus bloßem Verdacht, dass jemand ein Terrorist sein könnte. Unabhängige Untersuchungen dazu führen selten zu einem Ergebnis – wenn es sie denn überhaupt gibt.

Das alles wäre vermeidbar. Denn auch aus den Papieren, die The Intercept zugespielt wurden, geht hervor, dass das US-Militär selbst bessere Ausrüstung fordert, um solche Vorkommnisse zu vermeiden. Generell ist der Vorteil einer Drohne ja, dass man das potentielle Opfer beobachten und verfolgen kann. Man kann den „perfekten Zeitpunkt“ abwarten, bei dem keine Zivilisten zu Schaden kommen. Nicht zuletzt wegen der Möglichkeit der präzisen Tötung von Terroristen verzichtet Obama auf Boots on the Ground und weitete die Drohnenschläge – vor allem in Somalia und im Jemen – extrem aus.

Aber das passiert alles nicht. Das US-Militär weiß nicht genau, wo es hinfeuert, erklärt Zivilisten posthum zu Terroristen und greift schon bei der Ortung und dem Profiling von potentiellen Sicherheitsbedrohungen zu fragwürdigen Mitteln. Kinder, die in Somalia oder im Jemen in Richtung Himmel schauen, können sich nicht sicher fühlen – denn wenn in ihrer Nähe ein Terrorist vermutet wird, reicht das in der Regel für den Abschuss. Das ist für den IS und andere Terrorgruppen besser als jedes Propagandavideo.

Der Drohnenkrieg ist kein Thema, weil er vor allem „da drüben“ und „da unten“ stattfindet. Und weil er vermeintlich gegen „die Bösen“ gerichtet ist. Es ist eine Schande, dass dieses Thema nicht schon lange hoch oben in der Prioritätenliste der Medien steht – denn irgendwann könnten bewaffnete Drohnen auch in den Bereichen operieren, die uns betreffen. Und zwar direkt. Es muss eine effiziente Regulierung zum Einsatz dieser Killermaschinen geben. Besser gestern als heute.

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Tom Ogg

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