Zum Massensterben im Mittelmeer

Es gibt Zeiten, da passiert relativ wenig. Meist gibt es diese „Sommerloch-Themen“. Letztes Jahr ging es um das Binnen-I, die Hymne und Cannabis-Legalisierung. Und jetzt gerade passiert innenpolitisch auch recht wenig. Bis auf die an Relevanz kaum zu untertreffenden Jubiläumsfeiern von SPÖ und ÖVP, bei denen natürlich immer mit Phrasen um sich geworfen wird, und einen der mittlerweile gewohnten Häupl-Sager.

Schöne Sache, dass das einige Journalisten und Journalistinnen zum Anlass nehmen, die mediale Aufmerksamkeit auf das Mittelmeer zu verschieben. Ins Mittelmeer, wo mehr als 28.000 Menschen seit 2000 ertrunken sind. Nach wenigen Beiträgen in kurzer Zeit – unter anderem von Amnesty International und Corinna Milborn – habe ich schon gehofft, dass es jetzt ernsthaft Thema werden könnte.

Auch in anderen Ländern wurden die „400“, die an nur einem Tag im Mittelmeer sterben mussten, thematisiert. Und zwar mit so starkem Echo, dass es jetzt einen EU-Gipfel zum Thema geben wird. Viele meinen, das bringe nichts und die blöde EU würde sowieso zu keiner Lösung kommen – warum also ein Gipfel? Weil Politik kompliziert ist und man sich zusammensetzen muss, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Anstatt das Problem gar nicht anzugehen.

Aber zurück zum Thema. Seit die Operation „Mare Nostrum“ zur Flüchtlingsrettung – die auch mehr schlecht als recht funktioniert hat – mangels Finanzierungseinigkeit in der EU gekippt wurde, gibt es das Projekt „Triton“, das von der Agentur FRONTEX im Mittelmeer durchgeführt wird. Dieser Umstieg ist ein Mentalitätswechsel von einer europäischen Gesellschaft, die sich bemüht, Flüchtlingen ein menschenwürdiges Leben zu bieten, hin zu einer „Festung Europa“. Und somit ein Schritt in die falsche Richtung.

Schuld an den katastrophalen Zuständen im Mittelmeer ist aber natürlich nicht in erster Linie die Europäische Union. Es sind auch jene, die Menschen aus Nordafrika und dem Nahen Osten dazu zwingen, zu flüchten. Bewaffnete Milizen und Terroristen. Autoritäre Regime, die Andersdenkende unterdrücken. Und generell die wirtschaftlich schwache Lage im globalen Süden und im Nahen Osten, zu der der Westen mehr als nur einmal seinen Teil beigetragen hat.

Was also tun? HC Strache beispielsweise spricht sich dafür aus, „die islamischen Länder“ in die Verantwortung zu nehmen, das Problem zu lösen. Das möchte ich auch gerne glauben angesichts dessen, dass sich Sunniten und Schiiten gerade auf unzähligen Schlachtfeldern in Syrien, im Irak und im Jemen bekämpfen. In „islamischen Ländern“ eben. Noch mehr Chaos und Unordnung herrscht wahrscheinlich nur in Libyen. Und die sollen das Problem lösen?

Eines ist klar – wir sind nicht schuld an den Kriegen, vor denen die Menschen übers Mittelmeer flüchten. Auch, wenn Europa keine weiße Weste hat, kann man das nicht argumentieren. Allerdings ist auch klar, dass das Massensterben von Flüchtlingen vor einem Kontinent, der sich regelmäßig mit seinen „europäischen Werten“ rühmt, nicht weitergehen darf.

Was es jetzt braucht, sind schnelle Möglichkeiten, um das Problem zumindest einigermaßen in den Griff zu bekommen. Wiedereinstellung und Finanzierung von „Mare Nostrum“. Ein europäischer Aufteilungsschlüssel, um Italien zu entlasten und allen Flüchtlingen eine Chance zu geben, sich in eine neue Gesellschaft zu integrieren. Und in Österreich endlich eine Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge, die dazu in der Lage wären.

Es muss sich viel ändern in Europa – und ich bin froh, dass die Medien als vierte Macht ihren Teil dazu beigetragen haben, dass dieses Thema wieder auf der Agenda steht. Danke!

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