Ich treibe mich in Stunden der Fadesse immer gern auf 9gag herum. Die Seite, wo man Bilder und GIFs zu so ziemlich allem findet, was das Internet beschäftigt. Meistens Katzen und Brüste. Aber es gibt auch Ausreißer, die heftige Diskussionen entfachen. Da sind dann manchmal Abbildungen von Kunstwerken zu finden, die in Museen hängen oder wie beim jüngsten Beispiel um sehr, sehr viel Geld verkauft werden. Und die User fragen sich dann meistens: Warum?! Ich frag mich das auch, muss ich ehrlich gestehen. Ich habe keinen Zugang zu (post)modernen Kunstformen, nicht weil ich sie von vornherein als abwegig ansehe, sondern weil sie für mich nicht das enthalten, was Kunst sein soll. Gott sei Dank ist da ja jeder anderer Ansicht und jeder hat seine eigene Meinung. Aber ich versuche das mal darzulegen.
Das Bildbeispiel zeigt Anna’s Light von Barnett Newman. Das um gute 100 Millionen US-Dollar verkaufte Gemälde, bei dem sich auf 9gag die Menschen nach dem Warum fragen. Eine rund drei mal sechs Meter große Leinwand in… rot. Mit zwei Streifen unbemalter Fläche an den Seiten. Jo… Ich habe leider keine Aussage des Künstlers gefunden, was dieses Gemälde ausdrücken soll, bis auf „seine Liebe zu seiner verstorbenen Mutter.“ Aha…
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Zweites Beispiel: Das Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch. Eine schwarzes Viereck umrahmt von weiß. Nochmal: Aha… Malewitschs Aussage dazu war (laut Wikipedia): „Als ich 1913 den verzweifelten Versuch unternahm, die Kunst vom Gewicht der Dinge zu befreien, stellte ich ein Gemälde aus, das nicht mehr war als ein schwarzes Quadrat auf einem weißen Grundfeld... Es war kein leeres Quadrat, das ich ausstellte, sondern vielmehr die Empfindung der Gegenstandslosigkeit.“ Puh... Noch verstiegener gehts ja kaum...
In beiden Beispielen ist es scheinbar simplestes Farbherumklecksen, das keinerlei Talent und Können erfordert, außer einen Pinsel zu führen. Also, warum ist das jetzt mehr beachtenswerte und teure Kunst als das, was ein Kind in der Schule fabriziert? Personen, die in den Ambitionen der modernen und postmodernen Kunst bewandert sind, haben es mir mal versucht zu erklären: Es geht nicht mehr darum, was dargestellt wird, sondern, was der Künstler bei der Schaffung selbst ausdrücken wollte. Und das vermischt mit schwurbelnden Metaebenen an Gesellschaftskritik, Kunstkritik, Selbstkritik. Die Hintergrundbotschaft wird zu dem, was eigentlich zählt und macht die Kunst erst zur Kunst. Ok.
Vielleicht bin ich einfach zu kleingeistig und strunzdumm dafür, aber sollte ein Kunstwerk nicht zumindest bis zu einem gewissen Grade selbsterklärend sein? Wenn ich jetzt vor dem Schwarzen Quadrat stünde und nicht die buchdicke Gebrauchsanleitung des Künstlers hätte, könnte ich damit nichts anfangen. Das Bild an sich erweckt in mir keinerlei Reaktion, weder ablehnend, noch positiv. Es ist einfach ein rotes/schwarzes Etwas. Keine Kunst. Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass man immer wieder davon hört, dass millionenschwere Kunstwerke von nichtsahnenden Besuchern als Sitzgelegenheit missbraucht oder vom Reinigungspersonal entsorgt werden…
Jetzt kann man die Überschrift auch mehrfach deuten. Kunst, um der Kunst Willen. Ich sehe das so: Kunst soll keinen anderen (verborgenen) Zweck haben, als den, das zu sein, was sie darstellt. Kein Zwischen-den-Zeilen-Lesen, um verklausulierte Botschaften zu dechiffrieren. Keine (meist ebenso hintergründige) Stellungnahme zu Politik. Einfach nur das Ding an sich, steht da für sich alleine und hat Wirkung. Am besten emotionale. Ich will das Talent des Künstlers bewundern können mit Worten, Farben, Meisel,… umzugehen. Der abgedroschene Spruch „Kunst kommt vom Können“ ist nicht soweit hergeholt. Ich kann nichts bewundern, von dem ich überzeugt bin, es auch mit Leichtigkeit zusammenzubringen.
Ich will berührt werden, positiv oder negativ. Bilder der Fantastischen Realisten oder von Francis Bacon lassen mich extrem unwohl fühlen und verstört zurück, aber ganz ohne eine Erklärung zu brauchen, was ich mir da grad anschau. Ich vergehe vor Entzückung bei Impressionisten. Aber wenn ich ein Buch lese und mir im Nachhinein vom Autor erklären lassen muss, es nicht verstanden zu haben, weil ich die auf der Metaebene hineingeschriebene zweideutig versteckte Kritik am kommunistischen Rumänien nicht gesehen habe, dann fällt es mir schon schwer mit „Oh, welch Kunst!“ daherzukommen. (Auch wenn ich sagen muss, dass mir der Text selbst und die tatsächlich erzählte Geschichte sehr gut gefallen haben und auch ein sprachlicher Hochgenuss waren, dem ich sofort Kunstcharakter zuschreibe.)
Zwölftonmusik und Dadaismus und andere experimentelle Kunstformen sind dann zumindest für mich gar nicht mehr zu ertragen und haben auch dezidiert überhaupt nichts mehr mit Kunst zu tun. Aufbrechen von Konventionen etc… Das kann man auch machen, ohne die Sprache/die Musik/die Leinwand zu vergewaltigen. Ich würde nie auf den Gedanken kommen, beim Anblick eines Nitsch, religiöse Verbindungen zur Unbefleckten Empfängnis zu haben und dann eine spirituelle Reinigung zu erfahren. Wie denn auch?! Es sind nun mal nur tote Tiere und deren Blut! Geht wieder nix ohne ellenlange „Wie meine Kunst zu verstehen ist“-Broschüren.
Ganz in diesem Sinne sind Dinge wie Comics oder Videospiele hundertfach mehr Kunst als alles oben Genannte. Hier gibt es naturgemäß auch Unterschiede in der Tiefgründigkeit und der im Gedächtnis bleibenden Eindrücke, wie bei jeder anderen Kunstrichtung auch. Grob gesagt haben Graphic Novels mehr Gewicht und Tiefe als franko-belgische BDs. Wie auch Taxi Driver mehr davon hat als Der Weiße Hai. Das Videospiel Shadow of the Colossus hat mehr als Assassin’s Creed. Und trotzdem sind alle gerade genannten Beispiele mehr Kunst als alles Obige – zumindest für mich. Denn auch wenn sie durchaus sublime Botschaften haben können, so sind diese 1) nicht so sublim, dass sie nicht erkennbar sind und 2) können sie auch ohne deren Kenntnis für sich als Kunst wahrgenommen werden. Kunst, um der Kunst Willen halt.