Brexit und der österreichische Bresident, Wahlen am Puls der Zeit

Na, da hat sich Cameron ja mit vollem Karacho ins eigene Knie geschossen. Furchtbar hoch gepokert und verloren. Ist seine Strategie, seine Landsleute zuerst populistisch aufzuhetzen und dann mit Vernunft nochmal umzustimmen, ums Arschlecken danebengegangen. Well, fuck, was? Aber was zeigt uns denn der Brexit eigentlich?

1) Politische Entscheidungen, die auf Teufel komm raus so kalkuliert werden, dass sie sich nur ganz, ganz knapp ausgehen - oder halt auch nicht. Ein dauerhaftes Spiel mit nicht mehr wirklich kalkulierbarem Risiko für die Spieler und für alle, für die gespielt wird. In diesem Fall halt spielten Politiker für das oder eher mit dem britischen Volk. Hat man sich wohl von der Wirtschaft abgeschaut: so lange einen auf "Wird scho gut gehen!" machen, bis es einmal kracht und dann furchtbar der Arsch blutet.

So ein Verhalten ist ja nicht nur für die großen Briten symptomatisch, sondern sieht man bei Politiker weltweit, die sich mit so lästigen Typen wie Wählern rumschlagen müssen. Gesegnet sei die KPCh. Mal sehen, ob wir auch noch eine zweite Chance bekommen, es "denen da oben" zu zeigen.

2) Man bekommt immer mehr den Eindruck, Wahlen und Wählervolk passen immer seltener zusammen. Vorbei die Zeiten, in denen in den meisten Staaten eine oder zwei Parteien stark und groß an der Spitze stand und eine Wahl nur bedeutete, marginale Abstriche an der Macht machen zu müssen. Heute steht und fällt es mit nahezu jeder Wahl, ob ein Land einen extremen Bullshit aufführt, der selten verstandesmäßig zu erklären ist. Siehe Polen mit ihren neuen Diktatoren, jetzt der Brexit, und andere Beispiele.

Wenn in Österreich womöglich eine knappe Wahl wiederholt werden muss, da es irgendwelche hochgeschwurbelten Gesetze zur Wahlkartenauszählung gibt, die KEINE Sau interessieren und von noch weniger beachtet werden und erst der Verfassungsgerichtshof dem dummen kleinen Bürger mit einem Gesetzesbuch vor der Nase rumwedeln muss und "Aber GESETZ!!!11elf" rufen muss, sagt das viel über die entzweiten Verhältnisse aus, die zwischen Politik/Staat und Bürger/Wähler herrschen. Mindestens genauso lustig ist die Anekdote, dass sich angeblich ein Großteil der Wähler in Britannien erst NACH der Wahl über Google informierten, was der Brexit für sie eigentlich so bedeutet. Facepalm.

Ich kann nicht umhin, die Verantwortung in beiden Fällen bei den Offiziellen zu suchen. Es gibt da die 99% der Bürger, die halt leben und gut ist und dann den Staat, der hochverkopft irgendwas zsammpfuscht, in der Öffentlichkeit vertreten durch Politiker, die so lebens- und realitätsfern sind, dass einem schlecht wird. Die Staaten ergeben sich in Gesetzeswixxerei und existieren eigentlich nur in abgehobenen olympischen Sphären, während es unten drunter brodelt und kocht.

3) Wohl auch angetrieben durch Regierende, die alles tun, außer zu führen und zu lenken, zerfleischen sich die Staatsvölker. Wenn sich auf den Inseln so eine bürgerliche Extremzweiteilung abspielt, wie bei uns nach der BP-Wahl, hat sich das Empire grad mit Elan auf die territoriale Schlachtbank gesetzt. Schottland war der einzige Landesteil, in dem überall flächendeckend für den Bremain gestimmt wurde. Es dürfte nicht lange dauern, bis da wieder die Unabhängigkeitsfrage gestellt wird. First Minister Sturgeon hat das ja schon angekündigt. Es gibt auch schon erste kritische Stimmen, die den Abschied Nordirlands an die Wand malen. Und was in Gibraltar los sein wird, die sogar mit 95,9% für den Verbleib stimmten und jetzt wieder einer hübschen Abschottung entgegensehen, bringt mich nur mehr zum zynischen Lachen.

4) Man sieht den eklatanten Unterschied des Wahlausgangs zwischen Alten und Jungen, als auch zwischen Stadt und Land. Nahezu alle städtischen Gebiet waren geschlossen für den EU Verbleib, während die ländliche Bevölkerung die miesepetrige "Mir san mir"-Stimmung vertrat. Die jungen Wähler waren nahezu geschlossen für eine Zukunft bei der EU, während die alten in "Ollas scheiße"-Fanfaren einstimmten. Es ist womöglich auch noch erwähnenswert, dass die beiden großen Unistädte Oxford und Cambridge auch recht klar für den Bremain waren. In London werden schon die ersten Stimme laut, sich abzuspalten und allein bei der EU zu bleiben, wenn das restlichen Land zu dämlich dafür ist. Köstlich, was da abgeht.

Witzigerweise spiegelt dieses Ergebnis statistisch gesehen recht gut die Ergebnisse unserer letzten Wahl wieder. Um das mal besonders gehässig auf den Punkt zu bringen: die Wahlentscheider san die alten, deppaten Landeier. Die, die am allerallerwenigsten mit irgendwas zu tun haben und haben wollen. Ich stell mir da so in etwa eine Horde Heidis Almöhis vor, die verbissen und grantig in ihren Hütten sitzen, für die es aber vollkommen nüsse ist, ob es Reisefreiheit gibt, weil sie ihre Hütte eh nie verlassen, für die es vollkommen wurscht ist, ob ein Land von Flüchtlingen überschwemmt wird, weil die in den großen Städten bleiben und nicht bis in ihre Hütten vordringen, etc...

Mir kommt nur die Frage zu einem Berufsheer vor einigen Jahren hier bei uns wieder in den Sinn, wo im Endeffekt die Generation 50+ darüber entschieden hat, was sie genau gar nichts mehr angegangen ist und den Jungen mit der Entscheidung für die Beibehaltung des derzeitigen Systems den ärgsten Bärendienst erwiesen hat.

Mir als (vergleichsweise) jungem Städter wäre immer mehr danach, zu sagen, bitte lassts solche Leute nimma wählen, wenns um unsere Zukunft geht, weil die haben keine Ahnung und sehnen sich nur nostalgisch in alte Zeiten zurück, die sie so sehr verklären, wie sie eh nie stattgefunden haben...

Und zu guter Letzt 5): Das Volk hat halt aber so entschieden und daran sollte man sich in einer hochgelobten westlichen Demokratie auch halten, wenn man als Politiker das letzte Bisschen Glaubwürdigkeit behalten will. Aber trotzdem: fix is genau nix. Zwei Jahre Zeit haben sie jetzt das alles rechtlich durchzuackern, rein theoretisch müsste das britische Parlament genau gar nichts, weil sie nicht rechtlich an den Ausgang gebunden sind (olympische Sphären und so), selbst die Brexitlanzenträger wie Boris Johnson und Nigel Farage wiegeln jetzt schon wieder ab und kommen daher mit Aussagen wie "Nur nix überstürzen, alles schön langsam", als wären sie selbst am meisten von ihrem Erfolg überrascht und hätten ihn gar nicht erwartet. Jetzt können sie nämlich nicht mehr jammern, wie scheiße alles ist. Jetzt haben sie, was sie wollten und sind auf einmal schmähstad. Frag mich ja, ob Strache bei irgendeinem Wahlsieg auch so kleinlaut würde.

Nun ja, aber bis die Briten sich wirklich verabschieden, fließt noch viel Wasser die Themse hinunter und in zwei Jahren kann noch viel passieren. Langweilig wird es sicher nicht in Europa.

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fischundfleisch

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Margaretha G

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