Das Leben kennt keine Gewinner

Ein schlichte, viel zu oft verdrängte Lebenstatsache: Alles und jeder stirbt oder hört irgendwann einmal auf. Gute Zeiten, die man erlebt, enden, Freundschaften und Partnerschaften enden, allerspätestens mit dem Tod einer der Beteiligten. Schon Nelly Furtado sang einmal: „Why do all good things come to an end?“ Die Nihilisten werden antworten: „Weus hoid so is. Arrangier di damit.”

Mit „sich arrangieren“ hatte ich immer schon meine Probleme. Am allermeisten mit Dingen, die für mich unabänderlich waren und die ich eh nur hinnehmen konnte. Aber nein, grad da regte sich der meiste Widerwillen. Genutzt hat es mir freilich nie etwas. Bis auf die immer größere Verbitterung, die ich mit meinen knapp 30 Jahren mit mir rumschlepp. Weil ich mir denk, ich kann mich noch so sehr abhaxeln, ganz zum Schluss steht man immer ultimativ als Verlierer da, auch wenn man dazwischen vielleicht mal Etappensiege gefeiert hat. Is doch scheiße… Und verlieren kann man im Leben leicht viel. Was womöglich auch damit zusammenhängt, dass man für jede Scheiße, die einem irgendwie widerfährt, von irgendwem immer selbst verantwortlich gemacht wird. Wenn man Glück hat, sind es nur irgendwelche Nicknames im Internet, über die man sich keine größeren Gedanken machen sollte, aber wenn man ist wie ich, tut man es trotzdem und das nagt dann verborgen an den geistigen Wurzeln. If you do all Good and one Bad, the Good will not be mentioned and the Bad will prevail.

Der größtmögliche Verlust ist halt trotz allem immer noch der Tod. Und mit Verlusten hatte ich auch immer schon meine Probleme. Kürzlich musste Familienhund Bobby eingeschläfert werden. Hübscher Euphemismus für aktive Sterbehilfe, die der Patient nicht mal selbst entscheiden kann. Und es hat mich fertig gemacht. Zwölfeinhalb Jahre lang war er ein enges Familienmitglied, dem wir innerhalb von zwei Wochen zuschauen mussten, wie er rapide abbaut, aber dennoch noch so „normal“ wirkte. Genützt hat im Endeffekt alles nichts. Und jetzt ist er weg. Für immer. Ich kann mit diesen Selbstbelügungen à la: „Solang man sich an jemanden erinnert, ist er nicht wirklich gestorben“, nicht beruhigen. Ebensowenig bin ich ein Mensch, der an eine Art Leben nach dem Tod glaubt – ich würde gern, weil es das alles erträglicher machen würde. Aber es ist schlicht ein Leben, das geendet hat und eine Wunde im Leben anderer hinterlassen hat.

Und ich werde die letzten Minuten in Bobbys Leben nur schwer aus dem Kopf kriegen in nächster Zeit. Einfach nur dastehen und heulen wie ein Schlosshund vor Trauer und Wut, weil man nichts tun kann, das Unabänderliche abzuwenden. Und sich in seinen Emotionen vom Leben/Schicksal persönlich angegriffen fühlen, weil es einem wieder einmal hämisch den Stinkefinger zeigt und sagt: „NIX kannst machen, außer danebenstehen, zuschauen und vor allem leiden.“ Is natürlich rational gesehen kompletter Schwachsinn.

Das einzige, was jetzt sicher ist, ist, dass Bobby nicht mehr leidet – sofern er es vorher tat, fragen konnt ich ihn ja nicht. Aber auch nur, weil er jetzt gar nichts mehr tut oder ist. Ein sehr, sehr schwacher Trost, der das eigene Leiden kein Stück lindert. Und ich frage mich, wie reagier ich wohl, wenn ein geliebter Mensch einmal stirbt? Ich hatte nicht den größten Bezug zu ihm, und dennoch schramm ich schwer an einer neuerlichen Depression entlang. Wie wird das bei meinen Eltern einmal sein? Wenn das eintritt und das schlimme ist – es WIRD eintreten – kann ich mir gleich die Kugeln geben.

Vor zehn Jahren hab ich kurzfristig im Sommer bei der Müllabfuhr gearbeitet und dort einmal ein Gespräch mitbekommen. Anscheinend war die Mutter eines Mistküblers ein paar Tage zuvor gestorben und der Betroffene meinte nur recht jovial, wieso solle er sich aus „Trauer“ freinehmen oder zur Beerdigung gehen – als ginge ihn das alles nichts weiter an. Ist das vielleicht die Normalität? Oder nur ein klischeehaftes Paradebeispiel des emotionslosen Proletenhacklers? Was muss in dessen Leben passiert sein, dass er so reagiert hat. Ich hab auch keine besonders rosige Beziehung zu meiner Mutter, aber es ist unbegreiflich für mich. Das ist empathielos.

Jetzt grundel ich also in meinen Gedanken umher, versuche dabei nicht an Bobby zu denken und hab die Deprimiertheit des Lebens vor Augen, welches grad wieder sehr wie eine beschissene Aneinanderreihung von Verlusten aussieht. Gute Ausgangslage optimistischer zu werden…

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Persephone

Persephone bewertete diesen Eintrag 24.05.2018 13:23:11

julbing

julbing bewertete diesen Eintrag 19.02.2016 11:20:32

6 Kommentare

Mehr von stefan251