Die Menschenmenge hierzulande ist zunehmend nur mehr sehr wenig tolerant in bezug auf diverse Coronamaßnahmen. Und zwar nicht nur die, die es für blöden Humbug halten, Impfen sowieso nur Autisten produziert und Corona nur Schnupfen und Husten ist, sondern auch rationale Menschen, denen mehr oder weniger alles schon wurscht ist, weil sie sich denken: Ich hab jetzt über ein Jahr Verantwortung gezeigt, aber unsere Führer und Herrscher schaffen es nicht, Verantwortung zu zeigen. Der Verfassungsexperte Manfred Matzka sprach schon vor zwei Monaten folgende wahre Worte kühl gelassen aus: „Die Mehrheit vertraut dem Krisenmanagement nicht mehr. Es ist offenbar endgültig vorbei. Der nächste Lockdown mag verordnet werden oder nicht – es wird so irrelevant sein wie das Besuchsverbot zu Silvester oder der Impfplan.“ Und man kann ihm nur beipflichten. Die Mehrheit schert sich keinen Dreck mehr drum, was die Regierung vorgibt oder welche Gesetze in dieser Richtung beschlossen werden. Nur… ein Gesetz, eine Regelung, eine Vorschrift ist immer nur so gut, wie die Leute, die sie befolgen – oder halt auch nicht. Ein Gesetz, das niemand oder auch nur die Mehrheit nicht befolgt, ist de facto nicht existent. So sehr die Exekutive – also sowohl die Regierung als auch ausführende Polizeibeamte – dagegen im Dreieck springen wollen. Nur zur Erinnerung: Wir haben theoretisch immer noch Lockdown, mit Abstandsregelungen und dergleichen. Aber es interessiert keinen mehr. Und ich stelle die gewagte Theorie auf, wenn die Polizei weiterhin sporadische harte Durchsetzung von Strafen wegen Verstöße gegen die Maßnahmen vollzieht, dann wird die Stimmung doch irgendwann kippen – gegen die Polizei. Auch wenn die nur Befehlsempfänger und Durchführer sind. Dann wird der sprichwörtliche Bote der schlechten Nachricht geköpft. Und ich denke unsere Regierung ist tatsächlich so wiff, dass sie das befürchten oder einkalkulieren, denn einen anderen realen Grund gibt es nicht, die derzeitigen Öffnungen zu rechtfertigen, sei es der Handel oder auch die Gastro, wenn auch nur so halbherzig. Das dient einzig und allein dazu, den Unmut der Bevölkerung in Zaum zu halten und sie wieder mit Brot und Spielen zu bedienen. Denn die Coronafallzahlen sind weder besser geworden, noch sinken sie. Aus rein epidemiologischer Sicht gibt es keinen Grund für die Lockerungen. Alle unemotionalen Wissenschaftler sagen auch genau das, aber die Machthabenden befinden sich mittlerweile in einem für sie durchaus beschissenen Dilemma.
Gestern war ja auch Anti-Corona-Großdemo in Wien. Warum ich das jetzt extra hier erwähne, ist der Grund wieso ich mich so amüsiere. Die Demo schien nämlich ziemlich aus dem Ruder gelaufen zu sein und nicht ganz so gewaltlos geblieben sein. Jetzt muss man sich halt vor Augen halten, dass das typischerweise die diversen Rechten sind, die diese Art Demos bespielen. Es kam zu geworfenen Flaschen, Pfeffersprayretaliation und Hunderten Anzeigen. Man liest von aggressiver Stimmung den Polizisten gegenüber. Von Sachbeschädigung und Verwüstung, etwa am Wr. Städtische Gebäude am Schottenring. Soweit eigentlich so normal für ne Demo. Nur kennt man dieses Bild im Normalfall eher von den typischen linken Demos. Und das ist jetzt der ultimative Treppenwitz daran: Ex-Innenminister und harter rechter Law-and-Order-Fanatiker Herbert K. war bei der Demo und einer der großen Redner, der dann beinhart [sinngemäß] aussagte: "Die Eskalation kam eindeutig von Seiten der Polizei. Wir waren ganz brav."
Die Polizei sagt naturgemäß das genaue Gegenteil: Wir haben nix gemacht, die Demonstranten waren die Gewalttätigen.
Erkennt jemand schon die ziemlich eindeutigen Paralellen? Man kann Rechte und Linke hier 1:1 miteinander austauschen und bekommt dasselbe Endresultat. Wut und Aggressivität auf Symbole des Staates (Polizei), auf Grund von als unfair/ungerecht empfundenen staatlichen Verordnungen, Randale und spontane Auslebung der Wut an Unbeteiligten und eine Eskalation, in der die Polizei dank überragender Waffengewalt die Oberhand behält. Noch.
Ich hab immer eine enorm diebische Freude, wenn ich mich hinstellen kann und sagen: Hey, ich habs ja gesagt. Es gibt ein gewisses Gefühl der geistigen Überlegenheit. Und so sehr es mich auch amüsiert, jetzt die Law-and-Order-Fanatiker zu sehen, wie sie einen auf ultimatives Mimimi machen, wenn sie selbst mal am Empfängerende von Polizeigewalt (ob rechtlich legitimiert oder exzessiv ist hierbei völlig schnuppe) stehen – hust, hust „Corona-Gestapo“ oder so – und dann naturgemäß 1:1 so reagieren, wie wenn es die von ihnen verhassten linken Randalierer und Störefriede trifft, so gibt das Ganze ein doch düsteres Bild ab. Solang die Mehrheit eben nicht gegen die Polizei ist, gegen die Regierung, ist es immer leicht derartige Randale als Exzentrizität von einzelnen Wirrköpfen abzutun. Problematisch wird es für die Staatsordnung dann, wenn sich die Situation wie derzeit immer mehr hochschaukelt, Leute komplett verschiedener politischer Ansichten auf einmal dieselben teilen und auch radikale Anti-Nazis durch diese eine Meinung auf einmal auf derselben Seite stehen wie Nazis und ihrem Frust freien Lauf lassen.
Noch ist die Stimmung nicht gekippt und es kann sich auch wieder alles ebenso beruhigen, aber es braucht nur einen Einzigen, dem alles zuviel wird und der denkt, er hat nichts mehr zu verlieren – ein Kleinunternehmer, der wegen der Coronamaßnahmen vor dem Nichts steht, psychisch geschädigte und in die Depression getriebene einsame Menschen, Leute, die zufällig von der Polizei belästigt werden, und ihnen eine Strafe aufgebrummt wird, weil sie draußen keine Maske tragen oder auch bereits agitierte Demonstranten. Im Grunde ist es egal wer. Und ich wage noch eine Prognose: Derlei Leute, die dies glauben, häufen sich. Einer kann der Zündfunke sein, der sich dann nicht mehr zurückhält. Einer, der dann mit Puffn zur Demo geht und dem erstbesten Polizist ohne Fragen zu stellen in den Schädel schießt, wenn die Polizei anfängt mit Kontrolle und Identitätsfeststellung oder gar mit (auch legitimierter) Gewaltausübung. Ein Verzweifelter, der dasselbe im Parlament tut. Dann ist die Stimmung gekippt. Und ein Staudamm gebrochen, der viele dazu motivieren kann, ähnlich zu handeln. Und es mag pessimistisch sein, aber ich halte es für eine wahrscheinliche Richtung, in die sich die gesamte Sache bewegen kann – aber nicht notgedrungen muss. Doch ich halte die Regierung hierzulande, aber auch jene sonst wo auf der Welt für total unfähig, auf diese Gefahr angemessen zu reagieren. Brot und Spiele übertünchen nur, dass es darunter an allen Ecken und Enden gewaltig brodelt und bröckelt. Corona und die Maßnahmen sind da jetzt nur der trockene Zunder, der auf eine Ansammlung Feuerholz geworfen wird, die sich soziale Brennpunkte nennt.