Ich weiß, es interessiert keine Sau. Es sind zu abgehobene Themen, mit denen man den 0815 Menschen nicht erreicht. Alles, was nicht mit der Holzhammermethode medienwirksam in die Köpfe der Allgemeinheit reingehämmert wird, ist uninteressant und das Thema Flüchtlinge und all seine umherschwirrenden Tentakel geben einfach viel bessere Bauernfänger ab, als Dinge, die die Zukunft eventuell WIRKLICH beeinflussen könnten.
Ich probiers trotzdem: Das Problem an der EU, wie man an den Briten gerade sieht, ist, dass sich keiner unterordnen will - aber nur so ginge es. Punktum. Alle wollen immer nur Extrawürschtel für sich selbst haben. Österreicher pochen auf dies und jenes, Griechen auf das andere, Esten auf das dritte, sind aber allesamt nicht fähig in den sauren Apfel zu beißen und eine Krot zu schlucken, wenn es notwendig ist. Jetzt haben die Briten diverse noch größere Sonderregelungen als sie eh schon vorher hatten. Ist das irgendwelche Breaking News wert? Nein. Weil: Wen interessiert's schon. Solang sich die Leut gegenseitig die Köpfe einschlagen können, ob Flüchtlinge Ja oder Nein!
Am allerbesten sind ja die Prinzipnationalisten. Innerhalb der eigenen Grenzen ist alles Wonne Waschtrog. Bestes Land, wo gibt! 1A-Leute, keine Kriminalität, eigentlich der Himmel auf Erden - fünf Meter daneben herrschen Sodom und Gomorrha und werden kleine Kinder gehäutet. Ist ja in UK genauso. Dort werden sich nach dem 23. Juni die Prinzipnationalisten freuen, dass sie die verhasste EU endlich los sind und weiter denken sie nicht. Natürlich nicht. Tun ja unsere auch nicht. Dass die britische Wirtschaft darunter leiden wird und damit wieder mal die Bürger, die man noch grad dazu aufgestachelt hat gegen die EU zu sein, ist doch unerheblich. Dass sie damit zusätzlich ihre geliebte "Heimat" zerreißen, wurscht. Warum? Die Schotten haben jetzt schon angekündigt, das Referendum zur Unabhängigkeit zu wiederholen, sollten sich die Engländer aus der EU verabschieden. Aber das sind Probleme von morgen, was interessieren die mich heute - oder überhaupt?!
Als ob der Brexit unser einziges Problem wäre, das da drohend wie ein Damoklesschwert baumelt und von jedem beharrlich ignoriert wird, weil wir ja die Flüchtlinge haben. Über die ganzen Handelsabkommen und das Staatsschutzgesetz red ich schon gar nicht mehr, weil da kann ich mich auch in eine Ecke setzen und mit der Wand schwätzen. Detto mit der Befürchtung einer schleichenden Bargeldabschaffung. Ein Thema, dessen sich bei uns WIEDER mal nur die Blauen annehmen, darüber groß poltern und es so für die restliche Bevölkerung uninteressant machen, weil die sich alle denken: "Ah der Strache verschwört sich wieder die Welt zusammen, wie sie ihm gefällt."
Ah ja noch was: unser kranker Mann am Bosporus. Erdoğan fabuliert sich immer noch seine Allmachtsfantasien vom starken Präsidenten zusammen, während sein Land rund um ihn herum zerfällt. Also was macht man, wenn alles droht den Bach runterzugehen?! Klar, man wird noch einen Zacken radikaler! Damit hat es immer schon geklappt, zeigt uns die Geschichte! Was uns blüht, sollte die Türkei in einen echten Bürgerkrieg oder Schlimmeres rennen, will ich mir gar nicht ausmalen. Interessiert das irgendjemanden? Nö. Solang Papa Erdoğan die Grenzen dichthält und die dort wartenden Flüchtlinge nicht weiterlässt, schert das niemanden. Wieder mal Thema Flüchtlinge, das alle Aufmerksamkeit kriegt. Dasselbe Spielchen geht grad in Polen ab, wo eins zu eins an einer klassischen Diktatur im nicht-römischen Stil gearbeitet wird. Liest man nirgends, man hört nichts davon, irrelevant. Und auch in der Türkei und in Polen rennen die Prinzipnationalisten mit so dermaßen überheblicher Attitüde und ihren Fantasien von einem starken Heimatland herum, dass man sich nicht fragen muss, ob, sondern nur WANN es sie auf die Schnauze haut. Und dann dürfen wir uns hier in Europa mit fehlgeschlagenen Staaten rumschlagen. Wieder mal.
Hab kürzlich ein Interview mit Robert Menasse gelesen, das sich im Groben auch mit Nationalismus befasst und so endet:
"Wenn alles wieder einmal in Schutt und Trümmern liegt, dann werden alle sagen, dies soll nie wieder geschehen. Dann werden sie alles das beschließen, was jetzt nötig wäre, aber wegen des Zombie-Tanzes des Nationalismus nicht möglich ist. Der jetzige Minister Kurz wird der neue Renner, und ich werde mich, wenn ich noch lebe, totlachen."
Vielleicht hört ja auf den Menschen irgendjemand. Aber ich bezweifel es. Er redet genauso gegen eine Wand. Eine ignorante.
