Ich mach mir die Welt widewide wie sie mir gefällt

Wer weiß, was das Internationale Wort des letzten Jahres wurde? Es war postfaktisch. Die fancy Art zu sagen, dass es Politiker für ausreichend halten, der Bevölkerung beinhart und auch offensichtlich ins Gesicht zu lügen, solange sie nur Emotionen, am besten aggressive gegenüber ihren Kontrahenten, hervorrufen.

Jeder sollte wissen, dass das gerade in Wahlzeiten eigentlich immer schon so war. Vor allem Wahlversprechen muss man ja nicht halten, was eine österreichische Politikerin einmal ganz unumwunden zugegeben hat. Und wie Travnicek schon so treffend wusste: Wir wählen ja nicht zum ersten Mal. Wir sind es gewöhnt, dass Politiker uns an- und das Blaue vom Himmel herablügen. Nach der Wahl herrscht wieder ein gemäßigter Tonfall, das Lügen wird zurückgeschraubt auf ein Dehnen und Strecken der Wahrheit und gelegentlicher 180°-Kehrtwenden. Wusste auch schon Konrad Adenauer. Hier in Österreich ist es ja auch guter Ton einiger Politiker, Tatsachen einfach zu Tode zu ignorieren, denn was nicht existiert, darüber kann auch nicht debattiert werden. Wie etwa Flüchtlingskrisen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Aber das ist unserer kleine österreichische Welt. Das Spiel bekommt jedoch nun weit größere Ausmaße mit dem neuen PotUS.

Der wohl mächtigste Mann der Welt, der sich seine eigene Realität schaffen will, indem Nachrichten, in denen er schlecht wegkommt, als böse Fakenews bezeichnet werden und er deswegen Reportern den Tipp gibt, doch Fox News zu sehen, wenn es um glaubwürdige Berichterstattung geht, was widerrum impliziert, dass er das als US-Präsident auch tut und dann auf Nachfrage nach dem Muslim-Ban, als Beispiele San Bernardino und 9/11 bringt - deren Attentäter allesamt aus Ländern stammen, die nicht auf der Einreiseverbotsliste stehen.

Jetzt könnte man hoffen, dass, wenn der Präsident selbst ein ahnungslos Uninformierter ist, seine Berater besser sind. Und dann gibt es Sean Spicer und Kellyanne Conway, die den Begriff Alternative Fakten prägten. Kurz nach der Amtseinführung ihres Chefs, also weit nach der Wahlzeit, logen sie bis die Schwarte krachte und stellten das als alternative Sicht auf Fakten dar. Wow. Und leider muss ich hier an dieser Stelle unseren alten Freund Adolf ins Spiel bringen, es möge jeder nicht mehr weiterlesen, der sich davon angeekelt fühlt. Es hat seine Gründe, warum die Existenz des Holocausts in Gerichtsverhandlungen der Beweisaufnahme entrückt wurde. Schöne Formulierung btw. Weil es nun mal ein Fakt ist, dass er stattgefunden hat und Fakten sind nicht debattierbar, deswegen sind es ja Fakten. Und nun kommt The Donald mit seinem Berater- und Ministerreigen daher und versuchen die USA und die ganze Welt für blöd zu verkaufen, indem sie schlichte Unwahrheiten versuchen als anderen Blickwinkel auf Tatsachen auszugeben. Damit kann ich nach elf Tagen des 45. Präsidenten schon sagen, danke, das war ein Schuss in den Ofen. Es gibt auch Dinge, die man nicht ausprobieren muss, um zu wissen, dass wird so nichts. Wie unter Wasser zu atmen.

Zum Glück für die USA sind sie eine durchaus gefestigte republikanische Demokratie, sodass die Gefahr eines durchdrehenden Präsidenten, der die Geschichte wiederholen will, trotz allem klein anzusehen ist. Da feuert man zwar mal seine eh nur geschäftsführende Justizministerin, weil sie eine möglicherweise gegen die Verfassung verstoßende Order ihres Chefs - den schon erwähnte Muslim-Ban - nicht durchführen will und zeigt sich auch sonst dünnhäutig wie ein prall gefüllter Wasserballon, aber es gibt schon genug Bundesrichter, die eigenständig dagegen vorgehen und ein ganzer Bundesstaat der Klage erhoben hat. Wohlgemerkt: nach elf Tagen. Wir müssen uns jetzt nur noch weitere drei Jahre und 246 Tage mit seinen Spassetten herumschlagen und wenn er die nächsten zwei Jahre so weiterregiert wie bisher, müssen die Demokraten nur dasitzen und zusehen, bis sie in den Midterm Elections das Parlament wieder übernehmen und dem Choleriker im Weißen Haus das Leben noch schwerer machen können, als es die Verfassung jetzt schon kann.

Von einem anderen Machtmensch, geht da dank dem Trumpeltier recht unbemerkt von der Weltbevölkerung eine viel größere Gefahr aus. Sultan Recep I. bastelt am Neuen Osmanischen Reich und missachtet beinhart die türkische Verfassung, die – man mag es kaum glauben – immer noch gilt und unter anderem Laizismus einfordert. Was jetzt insofern witzig ist, da Atheismus und in diesem speziellen Fall Säkularismus ja bald als Krankheiten eingestuft werden sollen. So bietet sich dem Beobachter der angehende Treppenwitz der Geschichte, in dem die türkische Politikerelite dezidiert die türkische Verfassung zur „problematische Überzeugung“ erklärt. Einfach nur köstlich! Doch im Gegensatz zu den US-Bürgern, denen ihre Verfassung und die darin verbrieften Rechte heilig sind und einen aufmüpfigen Präsidenten auch aus dem Amt jagen würden, huldigen die Türken immer noch ihrem präsidialen Heilsbringer, weil er vor 15 Jahren die Wirtschaft angekurbelt hat und sich ansonsten auch ein Vorbild an dem Mann aus Braunau nimmt. Verfassungsänderüngchen hier, Notstandsverordnüngchen dort. Aber er wurde ja demokratisch gewählt! Alle drei übrigens. Ja und? Ist das ein offizieller Freibrief und rechtfertigt das, jeden Scheiß zu machen?

Scheiß den auch der neue US-Präsident macht. Bei aller Abneigung gegen ihn, muss man ihm eins lassen: er setzt seine Wahlversprechen - die ich in ihrer radikalen Schwarz/Weiß-Form widerrum für komplett irre halte - wirklich um oder er versucht es zumindest in Form von Exekutive Orders. Einer davon will Obamacare rückgängig machen, eine geht um Einwanderung - wegen der Donald schon sein berühmtes „You’re fired!“ brüllen durfte – eine weitere um Abschiebung von Ausländern und eine darum, die Umwelt auf Kosten der Wirtschaft zu ruinieren. Zum Vergleich: die ersten Order seines Vorgängers betrafen Antikorruption in der Regierung, die Schließung von Guantanamo und die Wiedereinsetzung von gesetzestreuen Befragungen (sprich Folterverbot). Nachdem es Gitmo immer noch gibt, besteht die berechtigte Hoffnung, dass auch die jetzigen Exekutive Orders vor allem viel Lärm um Nichts bleiben. Und ich bin schon gespannt, was er machen wird, wenn seine geliebte Mauer doch mal stehen wird. Den Mexikanern die Rechnung vor die Türe legen? Oder wird er doch einsehen müssen, dass die USA auf den Kosten sitzen blieben werden? Vielleicht stößt er ja spätestens dann doch an die Grenzen seiner selbst geschaffenen Realität.

1
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Leela Bird

Leela Bird bewertete diesen Eintrag 01.02.2017 19:42:35

4 Kommentare

Mehr von stefan251