Ich würde hier gern einmal kurz über die supertolle herrschende Doppelmoral reden, die immer noch die Gesellschaft beherrscht.
Es ist zwar jetzt auch schon ein Zeitl aus und wie man weiß, vergisst der heutige Mensch gern schnell, aber vor ein paar Monaten war da der Terroranschlag in Paris. Große Mitleidsbekundigungen aller Politiker und vor allem in den sozialen Netzwerken, aber auch hier gab es wochenlang kaum ein anderes Gesprächsthema, bis dann die Flüchtlinge wieder die Oberhand gewonnen haben. Man will halt zeigen, wie solidarisch man ist, auch wenn das durchaus heuchlerisch wirken kann, wenn mal die rosarote Verblendungsbrille abgenommen werden sollte.
Da gibts auch noch das schöne psychologische Phänomen, je weiter etwas von seiner eigenen Lebenssphäre weg ist, desto weniger juckt es einen. Dass in afrikanischen Staaten, die die wenigsten auf einer leeren politischen Karte richtig platzieren könnten, im Tagesrhythmus Gräueltaten passieren, ist bekanntlicherweise irrelevant. Und: wenn es häufig passiert, härtet man ab. Paris war so: "OMG PARIS! Schon das zweite Mal in einem Jahr?!"
Mittlerweile war das in diesem Jahr - welches noch keine vier Monate alt ist - der vierte Bombenanschlag in der Türkei in Ankara oder Istanbul. Schöne Fastübereinstimmung; pro Monat eine Bombe. Ok, es sind weniger Tote zusammengekommen, als an einem Abend in Paris, aber das soll ja auch kein Wettstreit sein, wobei... für die Terroristen ist es wohl sogar einer. Wo sind die allgemeinen Mitleidsbekundigungen?! Von internationalen Politikern war nur wenig zu hören, nichts, was über diplomatisches Beileid hinausgeht. Und die 0815 Personen? Keine Farbanpassungen der Profilbilder auf Facebook oder sonstige Solidaritätswichsereien.
Man sollte die allgemeine Öffentlichkeit mal aufklären, dass die Türkei jetzt nicht so entfernt ist, wie sie viele gerne hätten. Istanbul ist grad mal knappe 300 km weiter entfernt von Wien als Paris. Und auf ner Landkarte finden sie auch die meisten. Sie gilt trotz Erdoğanisierung als klassisch westlicher Staat. Ist ja auch NATO Mitglied. Und... was vielen wohl zwar ordentlich gegen den Strich geht, aber nicht zu leugnende Realität ist - türkische Lebensart und kulturelle Vermischung ist bei uns echt nichts von dem man sagen kann, man hätte dazu keinerlei Bezug, weil es irgendwo weit, weit weg ist. Ich lehn mich mal soweit aus dem Fenster, zu sagen, wir haben mehr Türken hier als Franzosen. Also, wo bleibt die allgemeine Echauffiertheit der Anschläge wegen?