Wenn ich sage, Toleranz ist universell, dann muss sie es auch sein, ebenso die Intoleranz. Jedem gegenüber oder keinem. Dann gibt es keine Ausnahmen. Ansonsten kann ich Ausnahmen für alle machen, die mir nicht in den Kram passen oder für die, die ich nicht verärgern will.

Ein Fallbeispiel aus einem Wiener Gymnasium: Aufgrund der Flüchtlingskrise und ihrer spaltenden Wirkung auf die Gesellschaft wurde in einer Klasse der 12. Schulstufe (also Maturajahrgang, da drin sitzen schon ein Großteil erwachsene Bürger) ein Text von Voltaire zu lesen aufgegeben. Ein Text zum Thema Toleranz, der derzeit eine Aktualität hat, wie kaum zuvor. Als der Text dann besprochen werden sollte, meinte eine Handvoll Schüler recht selbstsicher: "Sowas lesen wir nicht." Und ja, es ist notwendig hinzuzufügen, dass jeder dieser Handvoll muslimischen Glaubens ist, da das auch die Begründung für die Haltung der Schüler war. Die vorgeladenen Eltern haben die Vorgehensweise ihrer Sprößlinge gut geheißen oder sogar erst angestoßen oder befohlen. Es war also nicht bloß ein Akt jugendlicher Rebellion, sondern die Verweigerung am Unterricht teilzunehmen, weil der Glaube das nicht gut heißen würde. Eine nicht radikale oder gar extremistische Auslegung des Islams, bloß, nennen wir es "Hardliner"-Verhalten. Der Fall wurde natürlich an den Stadtschulrat berichtet. Was dessen Aussage dazu war, wurde bisher nur inoffiziell gemunkelt: Man habe das hinzunehmen, weil religiöse Freiheit. Hier soll also der freien Ausübung von Religion, so ultraorthodox und konservativ sie auch sein mag, Vorrang gegenüber der Bildung gegeben werden. Und in diesem speziellen Fall auch noch der Bildung über andere Menschenrechte, die den jungen Leuten durch die Lektüre von Voltaire nähergebracht hätte werden sollen.

Wie das (kollisions)rechtlich zu bewerten ist, muss ein Jurist gefragt werden, sozial ist es doch irgendwo bedenklich.Es kann mit der Ausrede der Religion auf einmal vieles von offizieller Seite akzeptiert werden. Dinge, die dann einmal auch mit dem Strafrecht aneinandergeraten können. Ich bin zwar kein Freund vieler unserer Gesetze, nichtsdestotrotz gelten sie derzeit so wie sie sind. Aber der Staat hat nicht die Eier dazu, gegen religiöse Ansichten, Praktiken oder Normen vorzugehen, weil er sich sonst vorwerfen lassen müsse, er sei anti-welche-Religion-auch-immer und das will der offene, moderne Staat nicht. Das würde seinen Ruf schädigen. Ein viel öffentlichere Debatte gab es zu dem Thema Religion vs. restliche Menschenrechte vor einigen Jahren über die Beschneidung in Islam und Judentum, da hier tatsächlich auch jetzt schon Strafrecht tangiert wird.

Eine entlarvende Methode diesen Zwiespalt zwischen absoluter Religionsfreiheit und geltenden staatlichen Vorschriften aufzudecken, fand Niko Alm. Er wollte mit einem Nudelsieb auf dem Kopf (als Symbol der Religionspersiflage des Pastafarianismus) auf seinem Führerschein abgebildet werden. Das hat er geschafft. Jedoch gab es im Nachhinein einige Kontroversen, wie etwa, dass Führerscheinfotos nicht den Passbildkriterien entsprechen müssen - es wird aber von offizieller Seite nahegelegt und angeraten. Um das Thema wirklich zu klären, müsste wohl ein Pass beantragt werden.

Dennoch zeigt es gut die Problematik in einem lazistischen Staat. Einerseits heißt es, in staatliche Dinge darf sich auch die Religion nicht einmischen - so wie in die Bildung. Hier müssten eindeutige, nicht nach Lust und Laune mit dem Verweis auf Religionsfreiheit verschiebbare Grenzen geschaffen werden. Grenzen, die niemanden bevorzugen. Oder aber man schafft sämtliche Grenzen komplett ab. Ausnahmeregelungen für einzelne Personen können immer noch bedacht werden, sobald sich der Staat einmal auf eine einzelne Marschroute geeinigt hat und nicht Moslems dies erlaubt, Christen das andere, und Juden wieder etwas anderes, weil sie es halt traditionellerweise immer schon so gemacht haben. Sonst bin ich der Erste, der sich in seinem Glauben eingeschränkt fühlen wird, wenn ich irgendwo in staatlichen Gebäuden ein Kreuz hängen oder jemanden in Hidschab oder Kippa herumgehen sehe.Toleranz für alle, aber wenn, dann für alle gleich.

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doebeler

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Spinnchen

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