Eigentlich hatte ich erst wieder vor nach dem heutigen Tag meine Gedanken zur US-Wahl niederzuschreiben, da wir hier gerade in Österreich sowieso mit dem zweiten Coronalockdown begonnen haben und jetzt sind diese beiden Top-News nicht einmal mehr das Dramatischste, was derzeit durch den Äther flitzt. Unfassbar eigentlich.
Ich hab meinen ersten Blog damals hier auf FuF über einen Blick über die Welt geschrieben, was überall auf der Erde so passiert und worüber bei uns nie wer nachdenkt, weil es weit, weit weg ist. Boko Haram in Westafrika, Anschläge in Zentralasien, Bürgerkrieg rund um die Welt, von denen hierzulande noch nie wer was gehört hat. Je weiter es weg ist, desto weniger interessiert man sich dafür. Aber nun... Für die Wiener hier sind die Ereignisse vor der Haustür angekommen.
Auch hab ich schon vor fast viereinhalb Jahren nach den Anschlägen in Brüssel am 22. März 2016 einen Blog geschrieben, was man tun könnte und wie man auf derartige Terrorakte reagieren sollte. Desperate times call for desperate measures. Und um das kurzzufassen: Mit einer politischen Solidaritätswelle und "Unsere Freiheit lässt sich nicht unterkriegen" ist es nicht getan.
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Mittlerweile hat auch "das auf die Überwachung islamistischer Websites spezialisierte US-Unternehmen SITE [...] auf seiner Website einen Dschihadisten zu dem mutmaßlichen Anschlag in Wien zitiert: „Dschihadist sagt, der Angriff in Wien ist ‚Teil der Rechnung‘ für die österreichische Beteiligung an der US-geführten Koalition“, heißt es dort in einem Satz. Beigestellt ist ein Bild aus der Wiener Innenstadt. Die USA hatten eine internationale Koalition gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) ins Leben gerufen. Im Rahmen der Koalition kämpften zeitweise Dutzende Staaten in Syrien und im Irak gegen den IS. Österreich schloss sich auch der Koalition an, leistet aber keinen militärischen Beitrag." (https://orf.at/#/stories/3187763/) Das kann naturgemäß auch geierische Inanspruchnahme eines Vorfalls sein, um sich profilieren zu wollen, wie man es schon oft von Al Qaida oder dem IS gewohnt war.
Also was tut man, wenn die eigene Stadt betroffen ist, wenn vielleicht sogar Freunde und Familie in der betroffenen Gegend waren, wenn man es sich nicht mehr wegignorieren kann, weil auch Paris und Nizza sooo weit weg sind? Was macht das mit einem und vor allem, welche Schlüsse zieht man persönlich daraus?
Bekommt der Terrorist, der ja Angst und Unsicherheit erzeugen will, dass was er will? Und wenn nicht: Ist das dann nicht bis zu einem gewissen Grad fahrlässig, immer so zu tun, als wäre alles nicht tragisch und als könnte es dich selbst nie treffen, sodass man keine persönlichen Konsequenzen daraus ziehen will und soll und nur auf die gemeinschaftliche Stärke westlicher Demokratien hinweist? Oder ist das schon eine nicht mehr gesunde Hybris und das Unvermögen sich eingestehen zu können, dass man sowohl selbst, als auch die freie, liberale Gesellschaft enorm verletzlich ist?
Ich bin keinerlei dafür, hier jetzt groß wieder auf populistische - und grundsätzlich sinnlose - politische Forderungen zu zählen. Und es werden die Rufe wieder kommen nach: strengenden Waffengesetzen, Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojanern und dergleichen. Denn diese Maßnahmen scheren alle Leute über einen Kamm, stellen alle Leute gleichermaßen unter Generalverdacht mit der tristen Hoffnung wie ein blindes Huhn ein auffälliges Korn zu finden: Einen Attentäter oder eine Gruppe Attentäter, die in ihrer Planung blöd genug sind, sich über offizielle Kanäle zu verständigen und ähnliches. Und das hat bisher nur äußerst selten und durch glückliche Zufälle gefruchtet. Zudem kann ich eine stärkere Überwachung durch den Staat, durch die Polizei, einfach nur, weil es könnt ja immer was passieren, nicht gutheißen. Ebenso wie viele der Schreiber und Leser dieselben Dinge wegen Corona nicht gutheißen.
Ich ziehe lieber persönliche Konsequenzen, nicht überparanoid, aber nach der Devise: Wehret den Anfängen! Und das heißt auch nicht: Alle Muslime auszuweisen oder zu verhaften oder gar zu meucheln, die hier leben, Moscheen zu zerstören oder ähnlicher verallgemeinernder und mindestens genauso sinnloser Bullshit. Aber ich sag mal so, ich würd mich zumindest für mich selbst sicherer fühlen, wenn ich in so eine Lage kommen würde, dass ich zumindest versuchen kann, etwas dagegen zu tun und mich selbst und andere vor Attentätern zu schützen, wenn es mir möglich ist.
Wenn neben mir einer unvermittelt eine Waffe zückt und mir in den Kopf schießt, nützt mir alles nichts. Egal, wie überwacht die Öffentlichkeit ist, egal wie sehr ICH überwacht werde, aber da würde mir natürlich auch eine persönliche Aufmagazinierung oder erhöhte Vigilanz und Aufmerksamkeit nichts mehr nützen. Dessen muss man sich bewusst sein, bei allen schrecklichen Dingen, die passieren. Wenn du durch Zufall am falschen Ort zur falschen Zeit bist, rettet dich keine noch so gute Vorbereitung mehr. Aber ich fühle mich nicht sicherer, wenn die eine Seite andauernd von "Einzelfälle" quatscht, die überhand nehmen, und genausowenig wenn bereits jetzt ein hoher Politiker der ÖVP im Liveinterview sinngemäß gesagt hat: "Unsere Antwort darf nicht gewalttätig sein, sondern muss auf Basis des Rechtsstaates kommen, damit die Täter die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen." Beides hilft mir nicht, wenn ich irgendwo einen netten Abend verbringen will und auf einmal ein Verrückter oder ein Gotteskrieger anfängt, rumzuballern.
Es gibt einige nette Internetanekdoten und wie das so ist mit Geschichten, die man im Internet liest, werden sie oft abgeändert, bei manchen ist deren Wahrheitsgehalt nicht mehr überprüfbar, andere sind schlichte Urban Legends. Beide aus den Staaten, die ja ganz grundsätzlich doch eher laxere Waffengesetze haben. Zum Einen, eine Geschichte, die auf einem Darwin Award basiert: Ein Überfall auf einen Laden. Der Täter kam mit gezückter Waffe herein und wollte den Laden überfallen, woraufhin sämtliche anwesenden Gäste ihn ohne zu fragen niedergeschossen haben. Problem gelöst. Zum anderen: Ein Familienvater, der seine Waffe immer offen und offensichtlich trägt. Er musste sie noch nie einsetzen und hofft, es auch nie tun zu müssen, aber die Abschreckung reicht aus, um nie angegangen zu werden, überfallen oder beraubt zu werden, denn die Leute überlegen sich das dann zweimal, sobald sie die Pistole an seinem Gürtel sehen. Es ist eine persönliche, individuelle Variante von "Si vis pacem, para bellum."
Zuletzt will ich auch noch sagen, grad als Linker ist man hier auf FuF ja gern als pazifistisches Weichei verrufen, das nicht die Cojones hat, zu tun, was getan werden muss, wenn es nötig ist, weil man grundsätzlich lieber zu Mitteln wie Kommunikation, Verständnis, rationalem Nachdenken und Abwägen über Maßnahmen, Retaliationen und dergleichen neigt, als blind ohne Sinn und Verstand, jederzeit und immer vor allem überbordende Gewalt zu propagieren. Grade von so Gestalten, die sich hier mittlerweile gern schon wieder in "Let all hell break loose" gegen ganze Bevölkerungsgruppen oder auch politische Gegner reinsteigern.
Dazu will ich die letzten paar Sätze eines Mitbloggers, der seinen Frust und seine Wut über die Vorfälle in Wien ebenso zum Ausdruck brachte, hier zitieren, da sie mir aus der Seele sprechen:
"Links sein bedeutet nicht automatisch blöd sein.
Links sein bedeutet nicht automatisch schwach sein.
Links sein bedeutet einfach kein destruktiver Mensch zu sein und an was Anderes zu denken als nur an sich.
Verwechselt das nie mit Schwäche - es könnte ein fataler Fehler sein."