Ich war eigentlich seit ich alt genug war, mich mit politischen Systemen und deren aktuellen Anwendungen (vorwiegend halt bei uns in Österreich) auseinanderzusetzen, immer sehr skeptisch, was die Legitimation von repräsentativer Demokratie angeht.
Demokratie in seiner Grundbedeutung als Herrschaft des Volkes ist nicht wirklich mit Repräsentation vereinbar, wenn man es ganz strikt auslegt. Aber selbst im alten Griechenland, die noch andere Vorstellungen von Demokratie und Tyrannei hatten, war es nie wirklich so, dass das gesamte Volk geherrscht hätte. Zuviele sich widersprechene Einzelmeinungen. Daher ja auch die Repräsentation, die halt bis heute nachwirkt... sich aber nicht zum Besseren gewandelt hat.
Durch die Farce, dass es dem Volk nicht zu jeder IHM beliebigen Zeit möglich ist, seine Vertreter schnell und unkompliziert gegen andere auszutauschen, wenn sie nicht in seinem Sinne handeln, sondern nur im Rahmen von festgesetzten Wahlen, die von den Vertretern eigenmächtig bestimmt werden, verstärkt sich der Eindruck einer Oligarchie (Herrschaft von Wenigen zu ihrem Eigennutzen), die sich nur zur Wahrung des Scheins immer mal wieder das Mäntelchen der Demokratie umhängt, um das Volk in Sicherheit, aber auch Dummheit zu wiegen. Nun bin ich nicht paranoid, diese Tendenzen fielen auch schon Staats- und Verfassungsrechtlern und Politikwissenschaftlern auf - ohne, dass sich dieses Wissen weit verbreitet hätte. Will man es, so wie ich, drastisch ausdrücken, ist die große Politbühne eigentlich nur Augenauswischerei unter einer Lüge (der der Demokratie), bei der eine Handvoll Eingeweihter die Geschicke Aller lenken und es ihnen nicht einmal besonders gut gelingt, diesen Umstand zu verbergen. So ein System gehörte eigentlich schnell durch ein anderes, im günstigsten Fall sogar besseres ausgetauscht.
Ich meinte, das Heil in der Direktdemokratie zu finden. Also das, was den Begriff Demokratie eigentlich wirklich ausmacht. Das Volk trifft die Entscheidungen für sich. Klingt doch nach ner guten Sache. Volksabstimmungen und Referenden sollten das politische Leben bestimmen. Das dies natürlich auch nur zu Lasten der unterliegenden Minderheit funktioniert, sollte klar sein. Dass man nicht alles machen kann, was jeder gut findet, sondern nur das, was die Mehrheit gut findet. Ich war bisher der optimistischen und - wie ich mir immer mehr eingestehen muss - naiven Einstellung, dass in so einem System Vernunft, Wissen und Wohlüberlegtheit schließlich die Oberhand gewinnen müssten, solange man den Leuten die Möglichkeit gibt, sich zu informieren und das Beste für sich selbst zu bestimmen.
Es kam und ging das britische Referendum und ich muss sagen: Das Volk ist zu dumm dazu. Was ich mir in anderen Bereichen schon lang eingestanden habe, musste ich nun auch auf politische Verantwortung übertragen: Ein Mensch ist intelligent, eine Menge Menschen sind eine stupide, beeinflussbare Horde. Und dieses Wissen nützen die Politiker in ihrer oligarchischen Selbstbeweihräucherung natürlich weidlich aus. Weil das herrschende System ja noch nicht genug Makel und Schaden davongetragen hat. Es wird auch in Großbritannien Leute gegeben haben, die sich wohl informiert haben und danach so objektiv es ging, abgestimmt haben. Doch der Großteil der Leute wohl nicht, denn sie haben sich aufpeitschen lassen von den Aussagen der Brexitarier, deren häufigste Argumente sich als schlichte Lügen als Mittel zum Zweck herausgestellt haben. Bravo!
Da wurde es also geschafft in einem Aufwasch zu demonstrieren, dass weder die direkte noch die repräsentative Demokratie so wirklich gut funktionieren, wie sie derzeit existieren und die Mischung von beiden am allerwenigsten.
Ich denke, wir befinden uns hier in einer wirklichen Zwickmühle, denn die Aussage, dass die repräsentative Demokratie nicht die beste Regierungsform ist, aber die beste die wir haben, wird immer stärker durch das oligarchische Verhalten der Politiker unterminiert, sodass der Punkt für die einen schon lang erreicht ist und für die anderen immer näher rückt, zu sagen: "Nein, es ist nicht einmal die beste, die wir haben!" Nur gibt man dann den Leuten die Möglichkeit selbst zu bestimmen, ergehen sie sich in noch egozentrischeren Wallungen und lassen sich erst recht durch die Politiker, deren Verhalten sie immer beanstanden, beeinflussen.
Womöglich liefe es anders und die Vernunft würde obsiegen, wenn es tatsächlich NUR mehr direkte Demokratie gäbe und zusätzlich ein Verbot, das Verhalten des Volkes in eine Richtung beeinflussen zu wollen. Witzigerweise sind also die Politiker, die heutzutage als populistisch bezeichnet werden, die, die der tatsächlichen Herrschaft des Volkes am meisten im Wege stehen, weil sie sie nur für ihre eigenen Ideologien missbrauchen wollen.
Und was ist nun die Lösung aus dieser Herrschaftsmisere...?