Also bitte, wenn es denn sein soll, kommt hier jetzt ein Beitrag über Facebook. Eigentlich könnte ich einen anderen Beitrag, nämlich einen anderen über die Nutzung von Atomkraft, schreiben. Er wäre vom Aufbau her gleich und die Dramaturgie des Ablaufes wäre ganz ähnlich. So, wie man das auch von vielen anderen menschlichen Entwicklungen schreiben kann.
Also fange ich mit der Atombombe an. Eine ganz coole Geschichte. Jeder findet heute die Atombomben böse. Es dauerte auch eine Zeit, bis sich Roosevelt überreden ließ, sie zu benützen bzw. den Abwurf zu autorisieren.
Dann gab es atomgetriebene U-Boote und das erste wirtschaftlich genutzte Atomkraftwerk in Obninsk. Und es gab wesentliche, einleuchtende Gründe, die für die Nutzung von Kernkraft sprachen. Einer davon war die »Sauberkeit« der Atomkraftwerke. Mülltrennung war damals noch nicht erfunden und Müll an sich war kein relevantes Thema. Wie wir heute wissen, ist der Müll doch ein Thema geworden, wobei ich hier erwähnen möchte, dass es durchaus möglich ist, dass der Atommüll einmal entschärft werden kann. Am CERN läuft ein Forschungsprojekt, welches sich mit dem Abbau von Atommüll beschäftigt, der so bearbeitet werden soll, dass die strahlungsaktiven Restelemente in kleinere zerschossen werden, die keine Strahlungsgefährdung mehr darstellen. Noch ist das Utopie.
Aber ich sollte ja über Facebook schreiben. Facebook fing nicht mit einer Bombe an, sondern war ursprünglich ein Studenten-Gag. Teilweise ein böser, weil er eine kleine Stufe von Mobbing darstellte. Welches Mädchen ist sexier? Die Verliererin konnte da schon verletzt werden. Aber diese Phase ging bald vorbei. Facebook startete als Blog-Plattform, wie es deren einige gab. Während aber ursprüngliche Blog-Plattformen hauptsächlich textorientiert waren, - (wie auch diese hier :) ) waren bei Facebook von Anfang an die Bilder und die Freundeslisten ein wesentlicher Bestandteil.
Die ersten Implementierungen von Facebook waren eher dilettantisch aber trotzdem effektiv programmiert. Nach kurzer Zeit bekamen die Einstellungen besondere Bedeutung, eine die sich bis heute gesteigert hat. Welche Rechte hat wer, was ist öffentlich, was ist privat.
Der Inhalt von Facebookmeldungen ist eher primitiv. Ich schreibe das ohne falsche Zurückhaltung, denn ich selber bin ja auch auf Facebook vertreten. Und selbst wenn ich berufsbedingt auch ein Google+-Account habe, schreibe ich dort überhaupt nicht. Es muss an der Usability liegen oder an wer weiß was. Wenn ich etwas »Wesentliches« zu schreiben habe, veröffentliche ich das auf meinem »Twoday«_Account und wenn ich es für Facebook-Leser als zuträglich empfinde, dann verlinke ich auch eine Facebook-Botschaft darauf.
Ich habe mich schon einmal darüber mokiert, dass die Werbung auf der Seite immer wieder versucht hat, meinen Penis zu verlängern. Von vier Anzeigen auf der rechten Seite waren drei diesem Thema gewidmet. Auch die vierte Anzeige war nicht unbedingt meinem Alter angepasst. Doch mittlerweile scheint sich die Profilauswertung doch stark verbessert zu haben. Mein Schwanz wird kleiner und kleiner und ich kann kein Mittel dagegen finden.
Aber ich komme hier bereits auf eine Hypertrophie des Mediums zu sprechen. Facebook lebt ja von der Werbung. Und die Werbung kann nur zielgerecht funktionieren, wenn die über die Profileinstellungen vorgegebenen Daten entsprechend ausgewertet werden. Daher klingt es durchaus vernünftig, wenn meine Daten im Internet entsprechend richtig angegeben sind, denn dann bekomme ich die richtige Werbeinformation. Und bitte, wer soll denn etwas mit meinen persönlichen Daten anfangen können?
Jetzt muss ich etwas ausholen. Meine Daten wurden in den Jahren 1980 bis 1991 sehr penibel »eingeholt«. Ich darf hier zwei Beispiele anführen. Als ich einmal nach einer Messeausstellung in mein Hotelzimmer zurückkehrte und eine Floppy-Disk zur Datensicherung benötigte, bemerkte ich, dass die Plastikhülle einer neuen FD ganz sorgfältig auf der Seite aufgeschnitten war, um offensichtlich die FD auf ihre Jungfräulichkeit zu überprüfen. Ein anderes Mal hatte ich meinen Memo-Recorder im Hotel vergessen. Ich habe die Angewohnheit, alte Daten nicht zu löschen, sondern immer wieder neue Ansagen drauf zu sprechen. Ich weiß dann schon, was noch vom alten Text übriggeblieben ist, und was neuer Text ist. Ich war nicht sonderlich überrascht, als ich das Band bis zum Ende vorgespult fand. Da gab es auch noch andere Überwachungen, die sich alle in der Dokumentation von John Barron über den KGB, (rotes Handbuch) finden lassen. Andererseits fühlte ich mich aber in Moskau immer extrem sicher, da ich wusste, dass die Ausländer sehr wohl überwacht wurden. Die Taxifahrer, die mich vom Hotel zu meinen Kunden brachten, waren fast durchgängig KGB-Leute.
Man könnte also behaupten, dass ich mich mit Überwachung auskenne. Vielleicht nicht so gut mit der elektronischen Überwachung, wie sie vor wenigen Jahren zum Hauptthema in Deutschland wurde. Welche Daten werden von der NSA überwacht? Und wirklich, selbst das Mobiltelefon von Angela Merkel? Unglaublich!
Nun gibt es ja mehrere Gründe, warum Menschen überwacht werden sollen. Den politischen gab es immer schon. Gerade in Österreich wurde die Überwachung schon fast liebevoll als die Begründung für das Aufleben von Hausmusik angeführt. Denn zuhause kannte man seine Freunde, auch wenn man da nicht sicher sein konnte, ob nicht doch irgendein Spitzel dabei war. Doch im Kaffeehaus saß sicher immer einer von Metternichs Mannen im Hintergrund.
Der politische Hintergrund weicht auf höherer Ebene der diplomatischen Absicht. Da in der Diplomatie grundsätzlich gelogen wird, ist es wichtig zu wissen, wie ernst bestimmte Lügen gemeint sind und was man als reine Zwecklügen abtun kann.
Wir haben auch die wirtschaftliche Begründung für Überwachung. Früher war Betriebsspionage sehr stark auf persönliche Durchführung angewiesen, doch heutzutage sind wesentliche Betriebsinhalte auch elektronisch gespeichert, daher muss man nur wissen, wo die Daten liegen und wie man sie sich zu beschaffen weiß.
Und dann gibt es noch ganz einfach das wirtschaftliche Interesse: Wem kann ich was verkaufen?
Jetzt wären das alles Gründe, die den Privatbenützer egal sein könnten. Doch wie wir wissen, wehren sich doch einige dagegen, dass man ihren Gesundheitszustand wissen könnte. Tatsächlich ist es möglich, dass die Kenntnis deselben bei der Jobsuche eine negative Rolle spielen. Ein kleines Detail am Rande aus meiner Zeit, als ich bei einer Versicherung gearbeitet habe. Wenn zwei Personen im gleichen Zimmer gearbeitet haben, durfte der eine nicht die Gesundheitsdaten des anderen abfragen. Ich glaube nicht, dass man hier für ausreichende Datensicherheit gesorgt hat, doch man war sich des Problems zumindest bewusst.
In der Zwischenzeit, seit die NSA-Aktivitäten ruchbar wurden, stattgefunden haben sie ja schon früher, und heute gibt es eine zusätzliche Veränderung in der EDV. Sie nennt sich Big Data und wird von Firmen wie IBM und SAP, um nur zwei zu benennen, beworben. (Ich führe diese Firmen nicht aus Bösartigkeit an, ganz im Gegenteil: Watson lockt mir Bewunderung ab und ich denke, dass hier auch noch viel Gutes entstehen könnte) Statistiken, die vor zwei, drei Jahren noch acht Rechenzeit benötigt haben, können heute in zwei bis fünf Minuten abgerufen werden. Was das für die Auswertung von Daten, die über Facebook gesammelt werden können, bedeutet, kann mit etwas Fantasie leicht erraten werden.
Jetzt gibt es schon einen praktischen Nutzen von Facebook: Besonders dumme Menschen können dabei ertappt werden, dass ihre Krankheit auf den Malediven ausgeheilt wird. Immer wieder werden entsprechende Fälle ruchbar. Und manchmal liest man auch, dass eine Einladung an »alle« ergangen ist, statt nur an die beabsichtigten Freunde.
Nun, man muss schon wissen, was man über sich selbst preisgeben will. Ich habe z.B. kein Problem, wenn meine Freunde und Kinder wissen, dass ich in Herceg Novi gerade einen schönen Urlaub genieße. Allerdings halte ich mich mit politischen Aussagen stark zurück und ich denke, dass ich noch unter eine Quantitätsraster falle, wenn ich alle zwei Monate eine politische Meinung kommentiere. Sicher kann ich nicht sein.
Und ich mag es, von FB daran erinnert zu werden, was ich vor einigen Jahren erlebt habe. In einem handgeschriebenen Tagebuch müsste ich erst suchen und ich muss gestehen, dass ich in der Regel durchaus erfreut bin, wenn eine alte Meldung wieder auftaucht.
Ich oute mich also als Facebook-User mit unter 200 Freunden, die ich bis auf eine Handvoll ausgenommen alle persönlich sehr gut kenne. Genauso freut es mich, auf deren Seiten zu lesen.
Dass ich allerdings heute keine Penisverlängerungswerbungen mehr bekomme, kränkt mich sehr. Man hat mich wohl auf Grund des Altersprofil bereits »abgeschrieben«!